Erl – Passend zum Abschluss des diesjährigen Gitarrenfestivals „La Guitarra“, das ganz unter dem Motto „Ritmo de la Vida“, zu Deutsch „Rhythmus des Lebens“, stand, präsentierten zunächst die Talente und Teilnehmer der im Rahmen des Festivals abgehaltenen Workshops sowie ausgewählte Gitarrenstudenten des Tiroler Landeskonservatoriums ihre klingenden Ergebnisse unplugged im Foyer des Erler Festspielhauses. In solistischen und kammermusikalischen Besetzungen überzeugten die Nachwuchstalente unter der Leitung der Ausnahmegitarristin und Intendantin des Festivals, Julia Malischnig sowie dem international gefeierten mexikanischen Gitarristen und Workshop-Leiter Cecilio Perera das Publikum von ihrem Talent.
Internationales
Quartett
Anschließend begrüßte Intendantin Julia Malischnig die Musikfreunde zum dritten und letzten Abendkonzert im Rahmen des Festivals: „Duplessy & The Violins of the World“, ein Quartett aus Frankreich, China und der Mongolei, verkörpert durch den Gitarristen, Komponisten und Multiinstrumentalisten Mathias Duplessy, dem chinesischen Erhu-Virtuosen Guo Gan, dem mongolischen Meister der Pferdekopfgeige und des Ober- und Untertongesanges, Mandakh Daansuren sowie Aliocha Regnard an der skandinavischen Nyckelharpa. Das Publikum leistete der Aufforderung Malischnigs, das nun folgende, einzigartige Konzert aufzusaugen, begeistert Folge – und wurde mit einer tatsächlich höchst außergewöhnlichen und faszinierenden musikalischen Darbietung belohnt. Duplessy schilderte kurz in den Hintergrund seiner illustren und vermutlich einzigartigen, seit 2009 bestehenden Formation, und ließ die Musiker ihre außergewöhnlichen Instrumente zunächst in einem Solo in ihrem klassischen Bereich vorstellen.
Guo Gan entlockte seiner für europäische Augen minimalistisch anmutenden zweisaitigen chinesischen Röhrenspießlaute hauptsächlich streichend, aber auch akzentuiert zupfend virtuos vibrierende, intensive Töne.
Aliocha Regnard präsentierte seine seltene viersaitige Nyckelharpa, die optisch wie eine Mischung aus Gitarre und Violine wirkt, mit lebendigen, melancholischen und teils hypnotischen Klängen. Mandakh Daansuren, mit 23 Jahren das jüngste Mitglied der Formation, erzeugte auf seiner leuchtend roten, kastigen Pferdekopf-Geige – ein sehr altes Instrument – melancholische und kraftvolle Töne, die er bisweilen mit gewaltigem, dumpfem, kehligem Gesang untermalte, indem er scheinbar seinen gesamten Körper als Resonanzkörper einsetzte – wie ein menschliches Didgeridoo.
Nach den Solo-Parts fanden sich die auf den ersten Blick so unterschiedlichen Instrumente zu einem einzigartigen Klangbild zusammen – kraftvoll, asiatisch angehaucht, melancholisch und sehnsuchtsvoll. Ein fröhlicher „Chinese Fire Cracker“, untermalt von Schnipsen, Trommeln auf den Resonanzkörpern der Instrumente und juchzendem Gesang wurde noch gesteigert durch eine sehr schnelle, kriegerisch anmutende Version von Isaac Albéniz´ „Asturias“ mit einer jubelnden Erhu sowie Flamenco-artigem Trommeln Duplessys auf seiner Gitarre, der quasi mit Ganzkörpereinsatz das Publikum höchst enthusiastisch mitriss.
„Duplessy & The Violins of the World“ sind derzeit weltweit auf Tour und beziehen so Inspiration für neue Kompositionen. Die Ausnahme-Formation ist offen für unterschiedlichste Genres, Crossover und Thematiken und präsentierte so zum Beispiel einen laut Duplessy allerersten „Chinese Gypsy Jazz“, der mit frenetischem Rhythmus, jazzigen Dissonanzen und unterstützendem Gesang die Atmosphäre eines Western-Saloons in den Saal zauberte.
Gegen Ende ließ sich der sonst so stoische weißgewandete chinesische „Mönch“ passend zum Titel „Tribute to Bruce Lee & Kung Fu“ zur Erheiterung der Zuschauer zu einem ebensolchen „Angriff“ auf Duplessy hinreißen.
Freiheit
des Geistes
Gemäß Duplessys Überzeugung von der essenziellen Bedeutung der Freiheit des Geistes und des Körpers widmete er dem amerikanischen Häuptling „Crazy Horse“ ein mit unglaublich hoher Handfrequenz gespieltes, mit eingeworfenen Lauten untermaltes Stück. Das Publikum bedankte sich mit überschwänglichem Applaus und Standing Ovations bei diesen vier Ausnahme-Musikern für einen Konzertabend, der natürlich nicht ohne Zugabe, „Gnossienne Nr. 1“, von Erik Satie, dem berühmten Komponisten aus der Normandie, bleiben durfte.