Halfing/Immling – Scheiden tut weh. Darum sollte, wer nicht masochistisch veranlagt, den Abschied kurzhalten. Oder ihn mit großer Geste unvergesslich gestalten, sodass sich rückblickend von der gemeinsamen Zeit träumen lässt. Das, so schien es, war der Plan der Künstler des Immling Festival, das heuer zum 27. Mal ein großes Publikum mit abwechslungsreichem Programm verwöhnte. Die gemeinsame Zeit war mit 37 Vorstellungen, zu der rund 17000 Besucher gekommen waren, eine klangvolle, stimmgewaltige, bewegende musikalische Reise durch Oper- und Orchestervielfalt.
Querschnitt der
Musiktheaterliteratur
Das Finale Grande als Abschlussveranstaltung bot, gemäß dem Spielzeitmotto „Zwischen. Welten“ einen Querschnitt aus weltumspannender Opernliteratur. Charismatische Opernsänger, Chor und Orchester ließen das Publikum bereitwillig an Höhen und Tiefen extremer Emotionen der dem Opernstoff zugrunde liegenden Werke teilhaben. Eine Achterbahnfahrt der Gefühle, die am Ende mit großem Jubel und stehenden Ovationen gefeiert wurde. Drei Stunden Opernfreuden im Stil einer Hitparade bekannter und weniger bekannter Werke großer Komponisten – allein der Blick ins Programm ließ den Mund wässrig werden.
Nicht weniger als elf Gesangssolisten standen in prachtvoller Garderobe auf großer Bühne im ausverkauften Haus. Intendant Ludwig Baumann sprach bei der Begrüßung von Sitzfleisch, das man brauchen würde.
Doch bereits bei der ersten schmissig servierten Arie – „Buona sera“ aus Rossinis „Il Barbiere di Siviglia“ (Rhys Jenkins, Flaka Goranci, Oscar Oré, Tair Tazhi und Giorgi Chelidze) wurden die Hälse gereckt und die Ohren gespitzt.
Das finale Opernvergnügen im Festspielhaus nahm Fahrt auf und verging im Nu. Völker zusammenbringen, mit Musik Frieden und Einverständnis stiften, zugleich die junge Generation für Oper gewinnen, das seien die Ziele, die das Immling Festival mit Musikerinnen und Musikern aus aller Herren Ländern verfolge, so Baumann.
Am Pult brachten neben Cornelia von Kerssenbrock (musikalische Leiterin des Festivals), Ayyub Guliyev (Künstlerischer Leiter und Chefdirigent des Staatstheaters Baku/Aserbaidschan) und Misha Edisherashvili (Professor an der Staatlichen Musikschule Tiflis) – ein jeder auf seine (Dirigier-)Weise, die Lebhaftigkeit der Klangfarben des Festivalorchester Immling und seinem Chor zum Leuchten.
Im betörendem Gesang rissen Leonardo Sanchez und Rhys Jenkins die Zuhörer mit: Im Duett „Au fond du temple saint“ aus Bizets „Les Pecheurs des perles“, schwören sie sich ewige Freundschaft. Auch Giorgi Chelidze als Filippo stürzte sich mit der Arie „Ella giammai m’amò!“ aus Verdis „Don Carlo“ in tiefe Emotion.
Die Essenz aus gefühlsgetränktem Verdi-Operngesang wusste auch Kseniya Bakhritdinova in der Arie „O patria mia!“ („Aida“) zu transportieren – umwerfend, wie sie Aidas schmerzliche Sehnsucht nach ihrer Heimat nachspüren ließ. Aufheiternd schwungvoll führte der Frauenchor mit „Tre volte magiola“ aus „Macbeth“ in wieder andere Strömungen, dann im Tutti mit „Patria oppressa“ zu Trommelwirbel und Fanfaren, fühlte man sich fast mitangestachelt an der Revolte gegen tyrannische Unterdrückung teilzunehmen. Andere Zeiten, andere Tyrannen – Oper bleibt am Puls der Zeit.
Manche Dinge ändern sich wohl nie. Große Themen, noch größere Gefühle und schwungvolle Gesten.
Pointiert-kraftvoll dargebracht
Kompositionen, von Rossini, Massenet, Bizet, Puccini über Wagner zu Verdi – alle Operngenusshappen voller Leidenschaft zelebriert, erzählten von Liebe, Eifersucht, Macht, Gier oder Hass aber auch von der komischen Seite des Lebens.
So gar nicht flatterhaft, eher pointiert-kraftvoll dargebracht und kein bisschen müde, war gegen Ende des Abends Irina Maltsevas Arie „L‘ amour est un oiseau rebelle“ aus Bizets „Carmen“.
Deshalb erklatschten sich die Opernliebhaber nach Ende des Operngesangs-Marathon Zugabe um Zugabe, bis zuletzt das Trinklied herhalten musste – und natürlich Champagner, mit dem der finale Schritt aus den „Zwischen. Welten“ hinaus vollzogen werden konnte.