„Oiso, wenn de Leit iatz seit genau 25 Jahr ‚dass‘ statt ‚daß‘ schreim miassn, nachad hod dees iwahaappts koan Vorteil ned brocht“, meint der Theo beim Nachmittagskaffee im Café „Hofer Alm“ zu seinem Bergkameraden Fritz.
Die beiden rüstigen Herren waren in den 1990er- Jahren stark damit beschäftigt, die Rechtschreibreform doch noch abzuwenden. Der eine als Universitätsprofessor für Germanistik, der andere als Gymnasiallehrer für das Fach Deutsch.
Theo fährt fort: „Wer den Unterschied von ‚das‘ und ‚daß‘ schon damals ned kapiert hat, kann auch heut noch nicht zwischen ‚das‘ und ‚dass‘ unterscheiden – ned amoi manche Journalisten! Derweil wäre das doch sehr einfach: Für ‚das‘ sagen wir im Dialekt ‚dees‘, ‚dass‘ aber bleibt ‚dass‘ und spricht sich im Vergleich zu ‚das‘ heller.“ Ein mit erkennbar norddeutschem Akzent ausgestatteter Café-Gast mischt sich interessehalber in das Fachgespräch mit ein und lächelt herablassend: „Na gut, meine Herren, aber das letztere gilt wohl nur hier in Südbayern. Und überhaupt: Ich finde die Regelung, wonach bei vorausgehendem kurzem Vokal jetzt ss statt ß steht, sehr gut!“ Da kommt er beim Fritz, dem Studiendirektor a. D., an den Rechten: „Aber das passt nur bei Ihnen in Norddeutschland! Unsere Leute, ob in der Schule oder an der Uni oder in Behörden, müssen zwangsweise ‚Erdgeschoss‘ oder ‚ich muss‘ schreiben, obwohl wir hier seit langer Zeit in unserem südlichen Hochdeutsch lange Vokale sprechen und lieber ‚Erdgeschoß‘ und ‚ich muß‘ schreiben würden. Die alte Schreibung war da viel diplomatischer: Am Wort- und Silbenende stand ß statt ss, egal ob der vorausgehende Vokal lang oder kurz ist.“
Da kann der Ortsnamensexperte Reinhard, der sehr genau zugehört hat, nicht mehr länger an sich halten: „Genau diese Diplomatie legen wir mit der Schreibung unserer Orts-, Flur-, und Straßennamen an den Tag! Schauen Sie her: Es heißt auf den Ortsschildern nach wie vor ‚Nußdorf‘ und ‚Roßholzen‘, obwohl seit genau 25 Jahren ‚Nuss‘ und ‚Ross‘ geschrieben wird. Und ein Wortungetüm wie ‚Schlossstraße‘ – dreimal s – bleibt uns dank ‚Schloßstraße‘ erspart. Wir halten uns an eine behördliche Vereinbarung von 1991, also aus der Zeit noch vor der Schreibreform von 1998.“
Große Zustimmung bei den beiden Reform-Gegnern. Der Experte fährt fort:
„Die alte, diplomatische Schreibweise ermöglicht mehrere Vorteile: Erstens werden im Dialekt Nußdorf, nach dem Salzburger Urkundenbuch nuzdorf, und Roßholzen, ebenda hrossulza, zumeist mit langem u beziehungsweise o gesprochen, zweitens ist es gar nicht gesichert, ob die Nuss und das Ross überhaupt die richtigen Bestimmungswörter sind; manche Forschungen bringen auch die keltischen Wasser- und Quellgottheiten Nusa und Rosmerta ins Spiel. Mit langem u und o!“.
Ein Blick ins Handy zeigt mehrere Hinweise im Internet, wonach sehr viele Nußdorf-Orte am Wasser liegen, wie etwa Nußdorf am Inn, offiziell: „Nußdorf a. Inn“. Nicht nur die Aussprache bleibt offen!armin höfer