Chiemsee – Draußen bei brütender Hitze erwies sich der Aufführungsraum in dem Rohbautrakt von Herrenchiemsee mit wunderbarer Akustik und sehr angenehmen Temperaturen als ideal für das Konzert mit dem weltweit bekannten Calmus-Ensemble. Anlass war die Eröffnung der völlig neu konzipierten Dauerausstellung zum 75. Jubiläum des Deutschen Grundgesetzes im Augustiner Chorherrenstift.
Einleitend führte Nils Mönkemeyer, der zusammen mit William Youn, künstlerischer Leiter der Inselkonzerte ist, ein kleines Interview mit Museumsleiterin Dr. Barbara Willert.
Das folgende Programm des Calmus-Ensembles, das aus fünf hochkarätigen Sängern aus Leipzig besteht, war im ersten Teil der Vokalmusik der Renaissance und des Barock gewidmet.
Angefangen von dem gregorianischen „Kyrie in festis duplicibus“ über Kirchengesänge von Guillaume de Machaut (um 1300 bis 1377) Guillaume Dufay und Josquin Desprez aus dem 15. Jahrhundert bis zu Heinrich Schütz´ „Herr, auf dich traue ich“ aus „Geistliche Chormusik 1684“ reichten die Gesänge nach dem 116. Psalm von Hermann Heinrich Schein (1586 bis 1630) bis zu Johann Sebastian Bachs bezaubernder Choralkantate, der „Collage“ in fünf Teilen „Wer nur den lieben Gott lässt walten“.
Schon bei den ersten Klängen wurde das begeistert lauschende Publikum ganz in den Bann dieses leidenschaftlichen Gesangs und ihrer Interpreten gezogen, der die feinsten Nuancen der Sangeskunst unvergleichlich beherrschen. Alle fünf sind hochrangige Solisten, wobei Calmus inzwischen mit 50 oder 60 Konzerten jährlich in ganz Europa gastiert und bis zu dreimal pro Jahr in den USA. Über einen schönen, volltönenden Sopran verfügt Elisabeth Mücksch, die seit knapp einem Jahr die Sopranstimme im Calmus Ensemble singt. Sehr überzeugend übernahm Maria Kalmbach die Altstimme, die als Solistin schon im In- und Ausland tätig war.
Nachdem das vor 24 Jahren gegründete Calmus Ensemble 22 Jahre lang mit Countertenören im Alt gesungen hatte, geht es mit Maria Kalmbach als Solistin neue Wege. Nicht weniger überzeugend waren natürlich die Männerstimmen mit Friedrich Bracks, Tenor, dem erst 1995 geborenen Jonathan Saretz, Bariton, und Michael Gernert, als Bass Fundament des Ensembles. Er ist ebenso wie Saretz und Mücksch erst seit September 2022 beim Calmus Quintett.
Calmus wurde 1996 von vier ehemaligen Thomanern gegründet, nämlich Sebastian Krause, Markus Arnold, Ludwig Böhme und Ulrich Barthel. Bei einer internen Veranstaltung des Leipziger Thomanerchors traten sie mit „Ein Freund, ein guter Freund“ der Comedian Harmonists gemeinsam auf und beschlossen wegen der guten Zuhörerresonanz weiter zusammen zu singen.
1998 verließen alle vier den Thomaner-Chor, der Tenor Martin Lattek stieß dazu, und die Fünf gründeten das Vokalquintett „Calmus“ – eine Kombination der Initialen von Arnold, Ludwig, Martin, Ulrich, Sebastian, ergänzt durch ein C am Anfang.
Nach der Pause bewies das Ensemble, dass die Spanne ihres Repertoires schier unerschöpflich ist. Ganz anders als im ersten, quasi sakralen Teil wurden die Zuhörer erneut Zeugen eines faszinierenden Hörerlebnisses. Nochmal waren zwei Lieder von Johann Sebastian Bach zu hören, dann eines von Johann Christoph Bach (1642 bis 1703) und Johann Michael Bach (1642 bis 1694), nicht etwa Lieder der (immerhin 20 Kinder) von Sebastian, sondern Söhne seines Bruders Heinrich.
Um das Konzert zeitlich nicht ausufern zu lassen, fielen zwei Lieder von Felix Mendelssohn Bartholdy weg, und es ging fröhlich, beschwingt und temperamentvoll mit Volksliedern und Kunstliedern aus dem 19. Jahrhundert weiter. Das Programm endete mit zwei Liedern von Max Reger, dessen 150. Geburtstag heuer gefeiert wird, mit „Unserer Lieben Frauen Traum“ und „Nachtlied“. Natürlich Jubelrufe, nicht enden wollender Applaus. Bei der Zugabe bewies das Ensemble, dass es in jedem Genre zu Hause ist: „Moon over Bourbon Street“ von Sting. Christiane Giesen