Auf eine richtig geschriebene kühle Mass am Esbaum

von Redaktion

Ein Weideplatz mit Schlagbaum im Talgrund einer Gemeinde wird zu einem Ortsnamen

Rosenheim – „Heid gibt’s was zum Feiern“, meint der Raimund. Sein Tischnachbar Hendrik blickt ihn fragend an. „Dees hod wos mit der Rechtschreibreform vo 1998 und min Herbstfest vo 2007 zum doa“, kommt als Antwort. „Aber d Auflösung kimmt erst nach der naxdn Mass!“. Es ist Mittag auf dem Rosenheimer Herbstfest und die beiden Schriftsteller trinken, versteht sich, alkoholfreies Bier.

Um seinen Gesprächspartner auf die richtige Spur zu bringen, kommt der Raimund auf den letzten „Vo Ort zu Ort“-Artikel im OVB zu sprechen, in dem es um die Schreibung von Nußdorf am Inn und Roßholzen am Samerberg ging. Nach der reformierten Schreibung sollten die beiden Ortsnamen, wie es im Text hieß, eigentlich mit einem Doppel-S (ss) im Namen aufwarten, aber dank einer amtlichen Festlegung der Schreibung unserer Ortsnamen aus dem Jahre 1991 sei deren Schreibweise ein für alle Mal festgelegt worden.

„Und wia schaut’s dann mit der Schreibung vo da Oaneed (= Einöde) Eßbaum in deiner Hoamadgmoa (=Heimatgemeinde) Rimschding aus“, möchte der Hendrik wissen.

„Im Heimatbuch von Rimsting san die Schreibunga ‚aufm Espaum‘, ‚Eschpämb‘, ‚am Espäm‘, ‚ufm Eßpaumb‘ überliefert. Im Dialekt wird der Nam ois ‚Eßbaam‘ gsprocha, mit aam langa, gschlossna E“.

„Ja guad. Aber, Raimund, wos bedeidd Eßbaum iwahaupts?“

Der Raimund überlegt und antwortet: „Do gibt’s mindestens zwoa verschiedene Erklärunga: Erstens vom mittelhochdeutschen Wort espan. Dieses“ – der Raimund wechselt ins Standarddeutsche, damit auch die anderen Gäste am Tisch etwas mitbekommen – „ist zusammengesetzt mit dem Wort ‚e‘ beziehungsweise ‚ewa‘ mit der Bedeutung ‚Recht, Gesetz‘, das in Zusammensetzungen auch ‚Gemeinde‘ bedeuten kann, sowie mit dem Wort ‚span‘. Hier geht es um die Spannung, ja Fesselung der Vorderfüße von Pferden oder Rindern auf einem der gemeindlichen, nicht umzäunten Weideplätze, damit diese nicht fortlaufen konnten“.

„Ja sauber“, meint der Hendrik. „Aber wo bleibt do der Baum, da Baam, im Namen?“

Der Raimund erklärt: „Die Wissenschaft behauptet, der sei in den Namen espan, im Dialekt esbam, nur eingedeutet worden, weil espan nicht mehr verstanden worden ist. So kam es also zur zweiten Erklärung. Der Esbaum sei ein Platz im Talgrund einer Gemeinde gewesen, der eingezäunt und zum Weidegang (= Aesen) der Tiere in der Nachbarschaft bestimmt gewesen sei“. „Äsen ja, aber wo bleibt der Baum?“ Der Raimund fährt fort: „Im Buach ‚Der Samerberg‘ von Josef Dürnegger heißt es, ein Baum habe das gemeindliche umzäunte Weidegebiet, den Freiplatz zum Äsen der Tiere, verschlossen. Dieser wurde deswegen Schlagbaum genannt, weil die Tiere mit einer Art liebkosender Handbewegung hineingeschlagen worden seien“. Staunen, auch Gelächter am Tisch. Der Raimund schließt seine Erläuterungen mit den Worten: „Aber jetzt heben wir alle unsere Masskrüge! Mit ss!“

Da dämmert es dem Hendrik: „Ja freili! Heid genau vor 16 Jahr, 2007, war im OVB a Artikl, in dem auf die korrekte Schreibung ‚Mass‘ anstatt ‚Maß‘ beim Liter Bier hingwiesn worn is. Wer war denn glei wieder der Sprach-Experte im Artikel?“.armin höfer

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