Eine fulminante Eröffnung

von Redaktion

Traunsteiner Sommerkonzerte Gustav Mahlers „Lied von der Erde“ auf Bühne gebracht

Traunstein – Das Element „Erde“ ist das Thema, das sich in diesem 43. Jahr der Traunsteiner Sommerkonzerte durch die insgesamt sieben Konzerte zieht. Dabei steht Erde für Stabilität, Zuverlässigkeit oder Mitgefühl. Mit einem fulminanten Konzert von Gustav Mahlers „Das Lied von der Erde“ in der Fassung für Kammerensemble von Arnold Schönberg wurde die Konzertreihe im Kulturforum Klosterkirche Traunstein eröffnet.

Arrivierte Künstler
und junge Talente

Maximilian Hornung, der nach dem unerwarteten Tod der langjährigen Organisatorin Imke von Keisenberg seit zwei Jahren neuer Intendant der Traunsteiner Sommerkonzerte ist, freute sich einleitend, den Zuhörern mit dem diesjährigen Programm wieder Künstler von absolutem Weltrang, aber auch „grandiose junge Talente“ vorzustellen. Die Konzertreihe sei einerseits in der Tradition verwurzelt, entwickle aber stets neue Impulse.

Traunsteins Oberbürgermeister Dr. Christian Hümmer sagte in seinem Grußwort, dass die Stadt mit dem neuen Intendanten der Sommerkonzerte einen „wahren Glücksgriff für Traunstein“ getan habe. Ein so fantastisches Programm mit solchen Künstlern sei „echte Weltklasse“. Der international gefragte Cellist Maximilian Hornung habe mit diesem Programm und diesen Künstlern des heuer 43. Kammermusikfestivals in der Großen Kreisstadt ein „Mammutprojekt“ auf die Beine gestellt, das kaum zu übertreffen sei.

„Das Lied von der Erde“ von Gustav Mahler (1860 bis Mai 1911) ist eines seiner letzten Werke. Es wurde im November 1911, sechs Monate nach seinem Tod, in München uraufgeführt.

Hingerissen
von der Natur

Aus Briefen ist überliefert, dass Mahler das Werk zwischen seiner achten und neunten Sinfonie auf seinem Sommersitz in Toblach am Attersee komponiert hat, weil er von panischer Furcht erfüllt gewesen sei, die Neunte werde – wie bei Beethoven und Bruckner – sein Abschied vom Leben sein.

Zu der Zeit, als er sich mit der Komposition des Liedes beschäftigte, war Mahler so so hingerissen vom Anblick der Natur, dass er niederstürzte und die Erde küsste. „Es ist wohl das Persönlichste, was ich bis jetzt gemacht habe“, berichtete Mahler seinem engsten Mitarbeiter Bruno Walter über die Kompositionsarbeit im Spätsommer 1908.

Im Jahr zuvor war seine Tochter, die vierjährige Maria Anna an Diphterie gestorben, die Ehe mit der fast 20 Jahre jüngeren Alma war denkbar schlecht und Mahler selbst hatte die Diagnose einer unheilbaren Herzkrankheit erhalten.

Entsprechend ist der Ausdruck der Musik: rein, abgeklärt und ergreifend. Das Ganze wirkt wie ein ferner, milder, manchmal sehr zarter Abglanz der Welt, aus dem trotz glückseliger Momente und manchmal kurzer Volksfestatmosphäre ein tiefer Weltschmerz spricht. Mahler selbst äußerte zu dem Lied „…es ist ein großes Lebewohlsagen, ein Abschied von Jugend, Schönheit und Freundschaft“.

„Das Lied von der Erde“ ist ursprünglich ein Zyklus von sechs Gesängen für Alt-, Tenorsolo und Orchester. Die Liedtexte entstammen sechs Gedichten von Hans Bethge, Nachschöpfungen chinesischer, fernöstlicher Lyrik, die damals in Mode waren. Erst 1920 begann Arnold Schönberg Mahlers Lied für Kammerensemble umzuarbeiten, was später durch den Musikwissenschaftler Rainer Riehn vollendet wurde.

16 hochrangige
Solisten

Schönbergs Absicht war es, das Werk durch die kleine Instrumentalbesetzung populärer zu machen. Das Ensemble im Kulturforum setzte sich aus 16 hochrangigen Solisten, von denen sich jeder als Meister seines Instruments erwies zusammen, allen voran natürlich die beiden Sänger. Dirigiert wurden sie von dem jungen Gerald Karni.

Dem Tenor Ferdinand von Bothmer gelang es dank vielseitiger Opernerfahrung als lyrischer Tenor gut, beim „Trinklied vom Jammer der Erde“ die existenzielle Betroffenheit spüren zu lassen, aber auch die diversen Glücksmomente („Von der Jugend“) lebendig werden zu lassen, wie auch das plötzliche sich auf den Tod Besinnen bei „Der Trunkene im Frühling“.

Die von Schicksal schwereren Stücke, „Der Einsame im Herbst“, Anweisung Mahlers: „etwas schleichend, ermüdet“, hatte die großartige Mezzosopranistin Franziska Gottwald zu bewältigen, die bereits auf eine internationale Karriere als Sängerin blicken kann. Fast ohne Gestik, nur durch die Kraft und Modulierfähigkeit ihrer angenehm vollen Stimme, verstand sie es neben der fast durchgehend depressiven Grundstimmung in „Von der Schönheit“ die offenbar wunderschönen, süßesten („dolcissimo“) Erinnerungen heraufzubeschwören.

Tiefe
innere Not

Seinen Höhepunkt setzt „Das Lied von der Erde“ mit dem letzten Teil „Der Abschied“, der beinahe so lange ist wie die vorhergehenden fünf Sätze zusammen. Hier drückt Mahler die innere tiefe Not des Abschiednehmenden und seine Sehnsüchte künstlerisch aus, was die Sopranistin Franziska Gotthard mit feinsten Modulationen – in der riesigen Klosterkirche hätte man eine Nadel fallen hören können – eindrucksvoll gelang auszudrücken.

Anschließend gab es gefühlt mehrere Minuten lang Stille, bevor der ebenso minutenlange Applaus und Bravorufe sich Luft machen konnten.

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