Bekenntnis zum Leben und der Erde

von Redaktion

Castalian String Quartett fasziniert im Kulturforum Traunstein

Traunstein – Ernste, schwere Musik, ein anspruchsvolles und berührendes Programm mit technischer Brillanz vorgetragen vom Castalian String Quartett bildete den Abschluss der 43. Traunsteiner Sommerkonzert im beinahe ausverkauften Kulturforum Klosterkirche.

„Tiefe Schwermuth, Leichenklage, Jammergeächz und grabverlangende Sehnsucht“ – so beschreibt Christian Friedrich Daniel Schubart um 1780 in seiner „Charakteristik der Tonarten“ die Tiefe und Schwere von f-Moll. In f-Moll ist das Streichquartett von Felix Mendelssohn Bartholdy geschrieben, das er nach dem plötzlichen Tod seiner Schwester Fanny Hensel, kurz vor seinem eigenen, komponiert hatte.

Wütend und furios
wie ein Aufschrei

Wütend und furios wie ein Aufschrei beginnt das Streichquartett mit dem Allegro vivace assai – Presto. Ein fast weinendes, sanftes Adagio folgt, wobei der Wechsel von f-Moll in As-Dur fast noch trauriger wirkt als zuvor die Moll-Tonart. Das Stück endet schließlich in einem rasenden Finale. Allegro molto. Spätestens in diesem letzten Satz geriet das Streichquartett aus aller Trauer und Schwere hinaus zu einem wunderbaren Bekenntniswerk für das Leben.

Hoch konzentriert, ideal aufeinander eingestimmt spielten die beiden Violinen mit der finnischen Geigerin Sini Simonen und der Japanerin Yume Fujise. Die war sehr kurzfristig für den erkrankten Daniel Roberts eingesprungen. Auf der Bratsche spielte die aus Irland stammende Ruth Gibson und am Violoncello der Walliser Steffan Morris. Das britische Castalian String Quartet war 2011 gegründet worden und stieg schnell zu einem der international begehrtesten Streichquartette auf. Tieftraurig, wenn auch völlig anders als Mendelssohns Quartett, war auch das zweite Stück, nämlich „Terra memoria“, der in 2023 verstorbenen finnischen Komponistin Kaija Saariaho. 1952 in Helsinki geboren, studierte sie an der dortigen Sibelius-Akademie und später in Freiburg im Breisgau und Paris. Ergreifend war das mit höchster Hingabe gespielte Stück „Terra Memoria“, 2006 geschrieben, das wieder gut zum Motto „Erde“ der diesjährigen Sommerkonzerte passte. Das Stück ist „for those departed“ gewidmet, also den Gestorbenen, deren Leben vollendet ist. Jene, die zurückbleiben, würden ständig in ihren Erinnerungen an gemeinsame Erfahrungen und Gefühle mit den Toten leben, erklärte Saariaho einmal das Stück. In dem 20-minütigen Streichquartett werden alle nur möglichen Register für Streichinstrumente gezogen, von wütenden, rauen, furiosen Tönen bis zu sanften, zarten, fast sphärischen Klängen. Vertrautere Klänge kamen nach der Pause beim Streichquartett opus 56 „Voces intimae“ von Jean Sibelius zu Gehör. Er gilt als der finnische Nationalkomponist schlechthin, bei dem die Landschaften und Sagen seiner finnischen Heimat lebendig werden. Für Sibelius, der auch „Komponist der nordischen Wintermelancholie“ genannt wird, war Musik Emotion und persönliches Erlebnis. Darauf weist bei dem Streichquartett auch der Titel „Voces intimae“, also „innere Stimmen“ hin, den er seinem wohl wichtigsten Kammermusikwerk, dem Streichquartett d-Moll Opus 56 gegeben hat.

Hinreißende Dialoge
und Gespräche

Schon der erste Ton zog das Publikum in seinen Bann. Wieder kamen die unterschiedlichen Farben der Streichinstrumente ganz deutlich heraus, die hinreißende Dialoge und Gespräche zu führen schienen. Von hauchzarten, engelsgleichen Tönen im Adagio di molto bis zu kräftigen, alles überstrahlenden Klängen im furiosen Finale. Ein reines Vergnügen zuzuhören und den vollständig in ihre Musik versunkenen Musikern zu lauschen. Die am Schluss einsetzenden Bravorufe und der Applaus verebbten nur langsam.

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