Spannendes Finale im Umspannwerk

von Redaktion

Vor dem Abriss zeigen die Mitglieder des Arbeitskreis 68 dort noch ihre Werke

Wasserburg – Das Herz für Kunst – noch schlägt es im maroden Umspannwerk, sogar in einem Kellerschacht. Doch dann: „Dein Herzschlag ist aus“, macht eine Besucherin Carmen Kordas auf den Blackout ihrer Monitore aufmerksam. Muss die Videokünstlerin jetzt wieder in den etwa einen Meter hohen Zwischenboden krabbeln, um die Technik ihrer beklemmenden Installation „Herzschlag“ zum Laufen zu bringen? Zum Glück schafft sie es diesmal mit der Fernbedienung von außen.

Kunst in
den Kojen

Katrin Meindl, die erste Vorsitzende des Arbeitskreis 68, ist froh, dass alle Mitglieder dieses Jahr die Chance hatten, einmal in einem „Lost place“ statt im Ganserhaus auszustellen. 85 der 400 Mitglieder des Kunstvereins ließen sich auf das Abenteuer ein. „Erst unterschreiben, dann auf eigene Gefahr betreten!“ Bei der Vernissage am Sonntag hofft Katrin Meindl, dass nichts passiert. Es besteht Absturzgefahr.

Denn im ersten Stock klaffen Abgründe ins Erdgeschoss. Alle Umspanner, ja die meiste Technik ist schon weg. Die Nischen bieten den Mitgliedern Kojen, um ihre Kunst zu präsentieren. Brigitte Eußner nutzt eine mit ihrer Installation „Von der Rolle“ wie eine Garderobe. Darin ein Kostüm mit rosa Tüll und stilisierten Körperteilen: Ein Kontrast zum ausgeweideten Gebäude. Daneben fügen sich viele Kunstwerke fast nahtlos ins Abrisshaus ein. Besonders sticht Katharina Danningers „Blue circle of life“, ein ganzer bemalter Raum, ins Auge. Der 19-jährige Architekturstudent Paul Prantl hat einen Teil seiner Semesterferien geopfert und mit Katrin Meindl die Ausstellung kuratiert. Dabei haben die beiden die Artists in Residence, die zuvor ausgestellt hatten, gebeten, besonders mit den Räumen Verwobenes hier zu lassen. Also wuchern Georg Weyerers Stahlblätter weiter über die Geschosse und im Keller sorgt seine „Weltkugel“ am Galgen immer noch für Gänsehaut.

Löchrige Wände, Relikte von früher, etwa Schilder, wie „Eigenbedarf 1“ schärfen den Blick. Die Grenzen zwischen dem Lost Place und der Kunst verschwimmen. Mancher Elektroschrott entpuppt sich beim zweiten Hinsehen als Kunst – wie im Fall von „iBird“ von Max Windholz. Viele Mitglieder nehmen Bezug auf den Ort und das Thema „Spannung“.

Etwa Andreas Fischer mit einer Art elektrischem Stuhl. „Da setz ich mich nicht drauf“, scherzt Werner Gartner, Wasserburgs Zweiter Bürgermeister. Denn auch für ihn ist es ein Jammer, dass mit dem Abriss Wasserburgs Kreative wieder einen Spielplatz verlieren. Doch der Wertstoffhof muss dringend aus der Stadt raus hierher ziehen, damit die Grundschule erweitert werden kann. „Sonst können unsere Kinder nicht in die Schule gehen“, erklärt Gartner.

Geld in
Farbdosen investiert

Dass auch Kunst vergänglich ist, daran hat sich der Streetartkünstler Maurice Bogdanski längst gewöhnt: „Ich habe hier von allen am meisten Geld in Farbdosen investiert“, lacht er und sprüht unbeirrt weiter draußen an seinem Schriftzug, seinem Künstlernamen „Noir“.

Auch die 32-jährige Rebecca Winhardt sprayt eifrig bei der Eröffnung. Sie freut sich über das große Publikum. Das wiederum ist begeistert, live beim Entstehen von Kunst dabei zu sein, einem riesigen Frauengesicht. „Ich bin erst seit der großen Kunstausstellung Mitglied im AK 68 geworden. Ich finde, der Verein macht viel – auch für den Nachwuchs,“ so Rebeccas Eindruck.

Das versinnbildlicht auch ein etwas rutschiger Weg, der durchs Gebäude führt. Er besteht aus Ausstellungsplakaten der 55 Jahre seit der Vereinsgründung 1968 und veranschaulicht seine Geschichte. Altmitglied Rainer Devens erinnert das Plakat von 1999 daran, wie er damals im Ganserhaus Aufsicht hatte: „Mein erster Besucher hatte an diesem heißen Sommertag vier Beine – es war eine Eidechse“, schmunzelt der 85-Jährige. Nur noch wenige Tage ist die Kunst am Umspannwerk zu erleben, dann ist auch dies ein Kapitel in der Vereinsgeschichte.

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