Lebende Jazzgeschichte(n) im kleinen Club

von Redaktion

Das Old Stack O´Lee-Sextett feiert ein halbes Jahrhundert Bandhistorie – Den Anfang machte ein Mord in St. Louis

Rosenheim – Eine finstere Geschichte trug sich zu in St. Louis in Missouri, im Winter des Jahres 1895: Der Kutscher und Zuhälter Stagger Lee, eigentlich Lee Shelton, brachte an Weihnachten seinen Freund William Lyons um. Shelton wurde wegen Mordes angeklagt und zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Der Mord wurde musikalisch aufgearbeitet und von einer Vielzahl von Künstlern interpretiert – die erste Plattenaufnahme stammte aus dem Jahr 1923 von den Fred Waring´s Pennsylvanians, namens „Old Stack O´Lee-Blues“. Nach diesem alten Stück benannte sich 50 Jahre später die Rosenheimer „Old Stack O´Lee-Jazzband“ und 100 Jahre nach der Tonträger-Erstveröffentlichung des Songs feiert eben diese Band ihr rundes Jubiläum. So alt wie das „Le Pirate“ ist die Band also. Und originellerweise fiel auch der Geburtstagsauftritt auf den Tag der Eintragung des Lokals im Gewerberegister, viele Gründe zum Feiern also!

Von der ursprünglich vom Deutsch- und Musiklehrer gegründeten ehemaligen Schulband Reinhold Roeder ist heute noch Klarinettist und Altsaxofonist Wally Fladerer dabei. Es gab über die Jahrzehnte mehrfach Wechsel in der Besetzung, so wirkten unter anderem Susi Weiss mit, ebenso wie der „Jazzica“-Sänger Manfred Lenz damals als Schlagzeuger und zeitweise ein gewisser Mulo Francel, längst viel beschäftigt und gut unterwegs mit „Quadro Nuevo“. Den ersten öffentlichen Auftritt hatte „Old Stack“ im Jahr 1975 oder 1976, wie sich Trompeter Richard Precht erinnert, damals in der Astakneipe, „für Schmalzbrot, Bier und Schnaps“. Viele Engagements auf Festen folgten, auf den Schiffen der Chiemseeflotte als Bord-Band, oder mal in einem Edel-Hotel in Arosa. Das Konzert im Jazzclub „Le Pirate“ begann das Sextett mit einem wunderbar nostalgischen „At the Jazzband Ball“, gefolgt von „Sunday“ von Louis Armstrong – Posaunist Charly Sareiter erinnerte an dessen ebenfalls erste Aufnahmen vor 100 Jahren. Ein weiterer Klassiker folgte: „Well down yonder in New Orleans“ von Bix Beiderbeck, in dem Prechtl und Sareiter gekonnt Dämpfer einsetzten. Im Up-Tempo ging es rund mit „It don´t mean a thing“ des großen Duke Ellington, in dem Fladerer am Sax sehr schöne Passagen zauberte, ein tolles Solo steuerte Johannes Freyberger am Piano bei. „Das erste Mal seit 50 Jahren gelingt uns bei dem Stück ein gemeinsamer Schluss“, kommentierte Sänger und Posaunist Sareiter launig. Mit einigen Sprüchen über die Verwandtschaftsbeziehung vom Oberaudorfer Waller-Wirt zum Jazzer Fats Waller – Zweifel waren angebracht – und weiteren Highlights von Fladerer ging es munter weiter, immer wieder mit Applaus für gelungene Soli. Reihum gab man sich den Staffelstab weiter, von den Bläsern zum Rhythmus mit Hans Kohlbrenner am Bass und Ex-Lokschuppen-Chef Peter Miesbeck am Schlagzeug. Eine Eigenkomposition von Freyberger „Please don´t bother me“ fand ebenso ins Programm und kam mit einer „Call und Response“-Passage gut an. Nach der Pause ging es illuster, temperamentvoll und swingig weiter mit Stücken wie „I found a new baby“ (Clarence Williams) oder der „Black and tan fantasy“ von Duke Ellington. Die Old Stack O´Lee Jazzband zeigte sich nach 50 Jahren gut gelaunt und sorgte für beste Stimmung im kleinen Club. Andreas Friedrich

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