Rosenheim – Alexander Schmid ist 1998 in Prien geboren, lebt in Schloßberg, hat am Ignaz-Günther-Gymnasium (IGG) Abitur gemacht und studiert derzeit an der Musikhochschule in Stuttgart und bald für ein Semester am Giuseppe-Verdi-Konservatorium in Mailand das Fach Dirigieren/Orchesterleitung. Doch er hat schon einige große Projekte gestemmt: Das Musical „Jesus Christ Superstar“ hat er bei Aufführungen der Theatertruppe „Innszenierung“ dirigiert, für „Macbeth“, ebenfalls eine Inszenierung der „Innszenierung“, die Bühnenmusik komponiert und dirigiert, die Messe „The Armed Man“ von Carl Jenkins als eigenes Projekt in der Rosenheimer Christkönigkirche organisiert und dirigiert, bei den Opernfestspielen Immling einmal das Musical „Cats“ und im Antretter-Saal Mozarts „Entführung aus dem Serail“ musikalisch geleitet.
Sein neuestes Projekt ist wieder ein Musical: Sebastian Kießer von der „Innszenierung“ hat „Krabat“ von Otfried Preußler dramatisiert, Alexander Schmid hat dafür die Musik komponiert. Sebastian Kießer arbeitet zurzeit am Staatsschauspiel Stuttgart als Regieassistent für Shakespeares „Was ihr wollt“. Seine eigene Produktion wird im November „Jeeps“ von Nora Abdel-Maksoud sein.
Die Aufführungen finden im Antretter-Saal in Stephanskirchen statt. Davor erzählt Alex Schmid in einem Rosenheimer Café, wie seine Musik klingt, Sebastian Kießer ist per Telefon dazwischengeschaltet.
Alex Schmid, wer hatte wie wann und warum die Idee, „Krabat“ zu einem Musical umzugestalten?
Alexander Schmid: Vor zwei, drei Jahren wussten wir, dass Otfried Preußler heuer seinen 100. Geburtstag gefeiert hätte, und Sebastian und ich wollten unbedingt was dazu machen. Die Gemeinde Stephanskirchen ist dann auf uns zugekommen: Ob wir nicht etwas dazu beisteuern wollten.
Und warum ist es gerade „Krabat“ geworden?
Alexander Schmid: Weil es ein wirklich tiefgehender Stoff ist, bei dem man viel interpretieren und auch autobiografisch auf Preußler zurückschließen kann: Er hat ja versucht, mit diesem Buch ein wenig seine Zeit in der Hitlerjugend zu verarbeiten.
Was befähigt Sie zu komponieren, da Sie ja Dirigieren studieren?
Alexander Schmid: Ich mach’s gern. Ich habe schon als Schüler zu komponieren begonnen. Ich war auch mal kurz davor, es zu studieren, das hat aber nicht funktioniert, auch weil ich das akademische Komponieren und das immer abstrusere Herangehen an Musik nicht unterstütze, wie es an den Hochschulen verlangt wird: Ich komponiere abonnentenfreundlich (grinst).
Wie würden Sie Ihre Musik zu „Krabat“ beschreiben?
Alexander Schmid: Es ist von allem was dabei: Es wird ein Ballett geben, das nach Janácek und Dvorák klingt, später hört man Anklänge an die „Salome“ von Richard Strauss. Hintenraus kommen lauter Musicalnummern dazu, das Hauptmotiv, wenn die Mühle mahlt, ist filmmusikmäßig mit Schlagzeug. Ich habe versucht, alles leitmotivisch aufzubauen, nicht nur für die Menschen, sondern auch für die Eigenschaften, die sie vertreten. So steht zum Beispiel Tonda für den Gemeinschaftssinn und die Hilfsbereitschaft, deswegen hört man dieses Motiv nicht nur, wenn Tonda auf der Bühne steht, sondern immer, wenn es um die Gemeinschaft geht.
Gibt es auch ein Liebesmotiv?
Alexander Schmid: Natürlich! Das wird immer gesungen, wenn Kantorka mit ihrem Damenchor von Haus zu Haus zieht. Da singt sie einen Text aus dem „Exsultet“, der österlichen Liturgie, mit einem Chor. Wir haben dafür die „Sonetten“ aus Schloßberg gewinnen können. Und natürlich erklingt das Motiv am glücklichen Ende.
Wie groß ist das Orchester?
Alexander Schmid: Mit mir zusammen sind wir zu elft: Flöte, Klarinette, Horn, Trompete, Posaune, Klavier, Schlagzeug, Geige, Bratsche, Cello – ich dirigiere vom Synthesizer und mache die gruseligen Sounds dazu.
Sind die Mitwirkenden aus dem Rosenheimer Raum?
Alexander Schmid: Ja, viele kenne ich selber oder sie wurden mir empfohlen. Aber die Technik ist eine Kooperation mit den Raimundspielen Gutenstein in Österreich. Wir haben Kooperationen mit den Musikhochschulen und Tontechniker vom Staatsschauspiel Stuttgart. Eine Tübinger Künstlerin hat uns digital das Bühnenbild gemacht, das immer projiziert wird, auch über die Decke: Als Zuschauer ist man mitten im Geschehen.
Sind das Songs zum Mit- oder Nachsingen?
Alexander Schmid: Es sind keine konkreten Songs mit Strophen und Refrain, also nicht popklassisch – aber das Ensemble hat regelmäßig Ohrwürmer, die es nach den Proben singt oder summt.
Wie schwer ist die Musik für die Sänger?
Alexander Schmid: Wir haben Schauspieler, die irgendwann zu Sängern wurden. Unsere Kantorka ist Felizitas Zähringer, eine Sängerin, die am Salzburger Mozarteum studiert. Judith Blauth, eine ausgebildete Musicalsängerin, hat uns ein bisschen Stimmbildung gegeben. Schauspieler wissen ja mit der Stimme umzugehen. Das alles gibt einen natürlichen Charakter. Ich würde lieber einem Schauspieler das Singen als einem Musicalsänger Schauspiel beibringen.
Sebastian Kießer, Sie haben „Krabat“ als Libretto eingerichtet.
Sebastian Kießer: Ich habe den Roman sehr intensiv immer und immer wieder gelesen. Mein Herzensanliegen war es, möglichst viel von dem Autor und seiner Sprache zu verstehen und nur Texte aus dem Buch zu nehmen. Ich habe fast nichts dazugeschrieben, nur Dinge abgerundet oder anders zusammengestellt.
Haben Sie sich eine Zeitvorgabe gesetzt, wie lange das Stück dauern soll?
Sebastian Kießer: Zwei Stunden. Ich möchte keine Pause machen, damit die Energie nicht abfällt. Es soll ein Rausch sein, eine Verkettung von ganz vielen kleinen Szenen, die ineinander übergehen. Diesen Fluss wollte ich nicht durch eine Pause zerstören.
Es gibt keine einzelnen Songs?
Sebastian Kießer: Es ist Musiktheater. Der Text ist sehr schauspielartig angelegt, die Musiknummern sind immer Momente der großen Emotionalität oder des Zauberhaften.
War Alex Schmid bei der Texterarbeitung schon dabei?
Sebastian Kießer: Wir haben uns von Anfang an viel Gedanken gemacht, wer singt, welche Motive wichtig sind: Wir wollten ein Liebes- und ein Arbeitsmotiv haben. Der Chor der Müllersburschen sollte mehr ein Sprechgesang sein, die Kantorka sollte mehr in das lyrische Sopranfach gehen. Mir war auch klar, dass es eine Ballettnummer geben soll. Wir wussten auch schon, wie die Verwandlung der Raben geschehen soll. Das Schreiben habe ich alleine gemacht.
Alex Schmid, wie kamen Sie dazu?
Alexander Schmid: Sebastian hat eine Textfassung gemacht und dann gesagt: Das und das könnte man doch singen. Ich schaute dann drauf und meinte: Das ist doch gar nicht im Versmaß und in Strophen aufgebaut? Dann habe ich mich hingesetzt und geschrieben – und es hat erstaunlich gut funktioniert. Die Schauspieler beginnen einfach im Text zu singen, vor allem, wenn es um Gefühle geht.
Ihnen beiden war bewusst, dass es schon mehrere Vertonungen von Krabat gibt?
Sebastian Kießer: Ja – aber wir wollten unsere eigene Handschrift einbringen. Unsere Fassung ist abgestimmt auf das, was zur Verfügung steht, was in den Raum passt. Alles passt dahin, wo Otfried Preußler gelebt hat: Ich glaube, es würde ihm gefallen. INTERVIEW: RAINER W. JANKA