Kolbermoor – Kann man ein Konzert-Programm unkonventioneller, kontrastreicher gestalten als es die Salzburger Domorganistin Judith Trifellner beim ersten Orgel-Mittwoch der neuen Spielzeit in der Kolbermoorer Kirche „Wiederkunft Christi“ wagte? Man kann sich aber auch nichts spannender, aufregender, ja aufwühlender vorstellen: Zunächst Johann Sebastian Bachs Präludium und Fuge D-Dur, ein meisterhaft entspanntes Jugendwerk, klar überschaubar, in hellen leuchtenden Farben gehalten und von zuweilen übermütiger, spielfreudiger Virtuosität. Zum Schluss wuchtete die nimmermüde Organistin einen wahren Koloss, einen Härtetest für Instrument und Interpretin, nämlich die Fantasie und Fuge über den Choral Ad nos ad salutarem undam von Franz Liszt.
Zwischen Bach und Liszt platzierte Trifellner drei relativ kurze Choralvorspiele, die aber selbst wieder unterschiedlicher nicht ausfallen könnten: Ein Choraltrio „Nun danket alle Gott“ von einer Anna Dorothea Spaltner aus dem 18. Jahrhundert, von der selbst Google nichts weiß. Eine Frau in der Männerdomäne zur damaligen Zeit – alle Achtung!
Unschlagbar dann wieder Bach mit „Allein Gott in der Höh sei Ehr“ – Licht durchflutet, transparent, die Choralmelodie und die kunstvollen Umspielungen und Verzierungen in schwereloser Balance! Und da alle guten Dinge drei sind, überzeugte die Organistin mit einer Eigenkomposition, einer Choralbearbeitung „im Stile César Francks“. Die Klangfarben nun abgedämpft, leicht ins Mystische changierend, die Register klar profiliert – ein wohltönendes und formal abgerundetes Werk. César Franck dürfte anerkennend vom Himmel gelächelt haben…
Die „Meisterkonzerte“ in Kolbermoor dauern 60 Minuten. Eine halbe Stunde war schon verbraucht. Also blieb für den Schwiegervater Richard Wagners eine Menge Zeit. Dieser allerdings hielt wenig von der Musik des Schwiegerpapas. Was also bringt uns dieser letzte und opulenteste Programmpunkt? Der Titel „Fantasie und Fuge“ klingt zunächst harmlos und bescheiden. Doch Liszt reizt nicht nur alle Möglichkeiten seiner kompositorischen Palette aus, sondern überwältigt uns mit dem Riesengemälde einer romantischen Symphonie, ja geradezu mit einer Parforce-Jagd!
Nebenbei, dem Urteil Wagners über Liszt können wir uns doch nicht vorbehaltlos anschließen: In „Fantasie und Fuge“ hat der Komponist nicht nur viel Fantasie investiert, sondern auch einen formal sehr schlüssigen „langen Atem“ bewiesen: Das gebannt lauschende Publikum dürfte sich keine Sekunde lang gelangweilt haben. Nach der im triumphalen Fortissimo endenden Schlusskadenz brachen die zahlreich erschienenen Zuhörer in frenetischen Jubel aus.
Walther Prokop