Aschau – Zum dritten Mal gibt sich Friedel Anderson, Jahrgang 1954, beim Hohenaschauer Verein „Kunst und Kultur“ die Ehre. In den Räumlichkeiten an der Aschauer Festhalle wird eine umfassende Werkschau des norddeutschen Künstlers gezeigt. Die Motivwahl ist breitgefächert: Stadt- und Hafenansichten, Reisebilder und Landschaften, Stillleben von einzelnen Alltagsgegenständen und von Flora und Fauna. Dabei hat er stets einen besonderen Blick für das in seiner Einfachheit bestechende Motiv.
Tiefe, Kraft
und Dynamik
Als fotografische Abbildung würde es wahrscheinlich nur wenig Effekt auf den Betrachter ausüben, aber Friedel Andersons Bildsprache und Technik, sei es in Öl, Aquarell oder Grafik, verleihen den Motiven Tiefe, Kraft und Dynamik. Da leuchtet der „Raps vor Allee“, da vermeint man bei „Steine und Seegras“ das leichte Wellenrauschen zu vernehmen und da kann man sich die Arbeiter in der Trockenwerft vorstellen. Man versucht, sich den Standort des Malers vorzustellen, man vermeint, Stimmengewirr zu hören, Gerüche wahrzunehmen, das gleißende und warme Licht zu spüren. Und zieht gleichzeitig seinen Hut vor Anderson.
Denn wer im Freien vor Ort malt, muss schnell sein, um das Motiv auf die Leinwand zu bannen. Auch den Stadtansichten und Reisebildern aus Italien, Portugal und Sansibar wohnt dieser Zauber von Stimmung und Licht inne. Eindrucksvolles Beispiel dafür ist das großformatige Gemälde Piazza S. Spirito: Die Nachtschwärmer sind vor dem Regen ins Trockene geflohen, nur in einer Bar sitzen unter einem aufgespannten Sonnenschirm noch ein paar Gäste. Nur wenige Lampen und Straßenlaternen erhellen die Szene, der Rest ist in ein Spiel von Dunkelheit und regennassen Spiegelungen getaucht. Und doch wird der Betrachter Teil des Geschehens, hört gleichsam den Regen und spürt die sich abkühlende Luft.
Auch das Spiel mit Licht und Schatten und Farbe beherrscht Anderson meisterlich. Großartig auszumachen bei seinen Bildern aus Burano. Das Beige der Kirche wirkt nicht eintönig, sondern ob der Schatten der umliegenden Gebäude lebendig, die für Burano typischen bunten Häuserfarben sind Blickfang und doch erkennt man bei genauerem Betrachten, wie sehr die Witterung den Gebäuden zusetzt.
Bei den Stillleben zeigt sich Andersons sachliche, aber auch neugierige Sicht auf die einfachen Dinge, die uns umgeben. Sei es das Apfel-Stillleben „Fallobst“, „Sunny Side up“ oder ein Stillleben mit Porzellanteller und Gläsern – statt Kristallhumpen wie bei Willem Kalf (1619 bis 1693) hauchen schlichte Ikea-Gläser dem Bild einen modernen Touch ein. Im Stile alter niederländischer Maler fängt Friedel Anderson den Moment ein und verleiht so selbst kleinen unscheinbaren Dingen einen Wert. Momente einfangen, das gelingt dem Künstler auch mit den großformatigen Bildern vom „Darßwald“. Man vermeint, das Rascheln des Laubs und das Hämmern eines Spechts zu hören, man glaubt, einen sanften Hauch von Herbstwind zu spüren, die schattenwerfenden Bäume tun das Übrige, um Lust auf einen Spaziergang zu machen.
Betrachter sollte
sich Zeit nehmen
Auch das Bild „Stille Zeit“ zieht viele Blicke auf sich. Ein Baum, beleuchtet vom Vollmond. In Zeiten der Pandemie hat Anderson diesen Baum in seinem Garten immer bei Vollmond gemalt. Zu jeder Jahreszeit. Ein großartiges Panoptikum.
Bei der Vernissage mahnte Kunsthistorikerin Andrea Kühnhackl in ihrer Laudatio an: „Der Gang durch die Ausstellung verträgt keine Hektik.“ Dem kann man sich nur anschließen. Allein schon der erste Blick auf Andersons in atmosphärisches Licht getauchte Landschaften, sein klarer Blick auf die Dinge lässt staunen. Und doch lohnt es sich, länger zu verweilen und die Kostbarkeiten des Seins zu erleben.