Aich, Buch, Gasteig und Schneid

von Redaktion

Angespannte Stimmung beim Tanzabend. Wer macht den ersten Schritt? Da steht der Tobias auf und bittet das Marei zum Tanz. Der Bann ist gebrochen! Die Kathi und die Sarah tuscheln: „Der hod fei a Schneid, der Tobias!“ Fragender Blick bei der Heike. Die Kathi erklärt: „Dees hoaßd: Der draud si wos!“ Die Heike zögert: „Heißt das, er ist mutig?“ Gut kombiniert, Heike!

Die Friesin hatte das Wort „die Schneid“ erst vor kurzer Zeit gelernt, als sie auf die 1448 hohe Baumgartenschneid hinaufgestiegen war. Aber wie gehören diese unterschiedlichen Bedeutungen von „Schneid“ zusammen? Die Sarah bringt der Heike am nächsten Tag eine Kopie aus einem Wörterbuch mit. Dort ist zu lesen: „schnaide, schnaid f. (= femininum, weiblich) Schneide eines Messers, einer Hacke, Waffe; Wagemut; scharfe Kante eines Berggrates, eines Rückens im Gelände“. So steht’s im „Wörterbuch der Tiroler Mundarten“ von Josef Schatz.

„Ach so“, meint die Heike. „die Begriffe Mut und Bergrücken leiten sich von ein und demselben Wort her! Schneid. Aber ‚Schneid‘ hat doch nicht weibliches Geschlecht. Kennst du denn nicht die Redensart ‚jemandem den Schneid abkaufen‘. So heißt es bei uns in Friesland, auf gut Hochdeutsch“. Die Sarah verbessert: „Die Schneid abkaufen“ – und schon ist ein Disput um das richtige Geschlecht insbesondere von örtlichen Begrifflichkeiten im Gange.

Der Tobias wirft den Begriff Gasteig in die Runde. Seine Vorfahren stammen aus der Gegend um Neubeuern, wo es heute noch den Straßennamen „Am Gasteig“ gibt. Die Heike plädiert für „das“ Gasteig, aber der Tobias erklärt: „Der Gasteig, auf boarisch da Gaschdeig, is ursprünglich der gaache Steig, der jähe, steile Fußweg“. Nach den Bezeichnungen für einerseits Wagemut, andererseits für einen Bergrücken mit ‚Schneid‘ sowie für einen steilen Bergweg mit ‚Gasteig‘ kommen die Sprachforscher auf ganz spezielle Baumbezeichnungen in Ortsnamen zu sprechen.

Die Heike erzählt von ihrem Besuch der Wallfahrtskirche von Thann im Walde. Sie zitiert aus dem Kirchenführer: „Thann ist ein kleines Dorf in der Gemeinde Großkarolinenfeld an der Straße von Bad Aibling nach Jarezöd – Tattenhausen gelegen“. Heike fährt fort: „Wurde hier bei ‚Tanne‘ wiederum das Endungs-e wie bei ‚Schneid‘ weggelassen?“ Die Sarah kennt sich bei Namen wie Aich oder Eich, Buch und Tann bestens aus und erklärt: „Thann kommt primär nicht von der weiblichen Tanne, sondern vom männlichen Tann. Der Tann bezeichnet einen Tannenwald. Ähnlich wie ‚der‘ Buch, der einen Buchwald bezeichnet. Beim Eichenwald heißt es neben ‚der‘ Eich auch ‚die‘ Eich“.

Die Heike hat’s kapiert: „Die Tanne kommt dann wohl vom Tann, dem Tannenwald. Da hat der Kirchenführer sogar eine lustige Doppelung vorgenommen: Thann im Walde heißt ja demnach ‚Tannenwald im Wald‘, oder etwa nicht?“ Zustimmendes Lächeln bei ihren Zuhörern. Armin Höfer

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