Vom Leiden einer Souffleuse an der Institution Theater

von Redaktion

Annagerlinde Dodenhoff überzeugt bei der Kulturbühne Aschau mit dem Ein-Personen-Stück „Anna sagt was“ von Peter Schanz

Aschau – Langanhaltenden Applaus erhielt „die Souffleuse“ Annagerlinde Dodenhoff. Die in Aschau lebende Schauspielerin, die schon auf vielen Bühnen in ganz Deutschland aufgetreten ist, zeigte im Monolog „Anna sagt was. Eine Brandrede aus dem Theater“ von Norbert Schanz in der Aschauer Ertel-Tenne ihr großartiges sprachgewandtes und mimisches Talent.

Wer ist Anna? Anna ist Souffleuse und liebt ihren Beruf. Zumindest sagt sie das. Aber sie leidet auch an ihm. Es zieht im Kasten, es zieht auf der Bühne, es riecht, es staubt, es nebelt, man sieht die Künstler mit all ihren Befindlichkeiten – und das von unten. „Aus dem Untergrund“ (wie Annagerlinde Dodenhoff diabolisch lächelnd verrät), aus der Tiefe der Bühne, aus der Muschel oder – wie es neuerdings Mode ist – mitten im Publikum, als Teil des Spiels. Aus der ersten Reihe rufend, die Fehler sichtbar machend – für Schauspieler, die das Handwerk von der Pike auf gelernt haben – unvorstellbar. Und das ist es offensichtlich für Anna. Denn sie war früher einmal selbst Schauspielerin. Da kann man schon mal was sagen, sagen, wie es wirklich ist. Und Anna sagt was, oder „rede ich Ihnen zu viel?“ Sie muss es tun, weil sie es nicht mehr aushält, nichts zu sagen, über das Theater, das Gemauschel, das Getue, die Anzüglichkeiten und die Intrigen. Aber sie sagt auch etwas über die Leidenschaft und das Schöne in der Welt des Theaters. Und sie sagt was über die Opfer, die die Institution Theater fordert. Sie schimpft gegen das Verschludern der hohen Kunst, gegen die Willkür des Regietheaters. Brilliant, wie sie von Rollen-Träumen und Besetzungsplänen spricht: „Mutter Courage oder fünfter Zwerg?

Dann besser Souffleuse als Schauspielerin!“ Virtuos, wie die Schauspielerin das Wort „Regie-Genie“ ausspricht – in gespielter Bewunderung und zugleich balanciert die Zunge vor wonnigem Spott nur schwer über die Doppel-sch-Schwelle. Auch gegen die eigene Zunft oben auf der Bühne begehrt sie auf. Schauspieler, die nicht richtig pointiert, klar, deutlich, vernehmlich sprechen können, die allein „als Erregungsdarsteller, als Radikalperformer“ oder so gut wie kaum angezogen glänzen. Dazu noch eine kleine Prise konservatives Denken. Etwa, wenn sie anmerkt, dass das Gretchen immer wieder neu besetzt werden muss, denn „der Theaterarzt … man will ja nichts gesagt haben.“ Auch wenn sie wohl selbst einst in die Fänge des Theaterarztes geriet, wie sie andeutet. Das Stück von Peter Schanz gewährt einen gnadenlosen Blick hinter die Kulissen, und doch leidet man mit dem Schicksal der Souffleuse, deren wahre Schauspielkunst sich mehr und mehr offenbart. Ein Stück, das komisch, witzig ist, aber auch tragisch, melancholisch daherkommt und nachdenklich stimmt. Ein Stück, das Norbert Schanz 2007 – auf ihre Anregung hin schrieb, wie Annagerlinde Dodenhoff nach dem Schlussapplaus den OVB-Heimatzeitungen verriet. Chapeau und Danke an die Schauspielerin. Und ein Danke an die Kulturbühne Aschau, die drei Wochenenden lang Kunst jenseits des Mainstreams, mit Jazzstories, Isarmärchen, Familientheater, Pop aus dem Norden, und und und bietet.

Am kommenden Wochenende locken am Samstag A-cappella-Gesang und das bayerische Aschenputtel mit Stefan Murr und Heinz-Josef Braun sowie am Sonntag Edi Jäger mit „Es ist nur eine Phase, Hase.“ Mehr Infos unter www.kulturbuehne- aschau.de.Elisabeth Kirchner

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