Erleuchtung durch den Solo-Tenor

von Redaktion

Chorkreis St. Quirinus singt Mendelssohns „Lobgesang“ in der Christkönigkirche

Rosenheim – Wenn man ein bisschen Angst hatte vor dem Großprojekt, das Michael Gartner mit dem verstärkten Chorkreis St. Quirinus stemmen wollte, verflog diese sofort mit den ersten Tönen in der gut gefüllten Christkönigkirche: Felix Mendelssohn Bartholdys 2. Sinfonie mit dem Titel „Lobgesang“ erwies sich als nicht nur überzeugende, sondern rundum begeisternde und glänzende Aufführung. Allenfalls hätte man gerne ein ausführlicheres Programmheft mit den gesungenen Texten und der Angabe des Orgelstücks gehabt.

Vor der Sinfonie kommt die Orgel

Denn vor der Sinfonie kam die Orgel: Johannes Berger hatte mit Mendelssohns A-Dur-Orgelsonate ein passendes Eingangsstück gewählt: Das Fugenthema ist dem rahmenden Thema der Sinfonie ähnlich, in die Fuge eingeschrieben ist ein Choral („Aus tiefer Not schrei ich zu Dir“) wie auch in die Sinfonie („Nun danket alle Gott“). Und das „Andante tranquillo“, das die Orgelsonate wie ein Andante religioso beschließt, war die geeignete Überleitung zur Sinfonie.

All dies ließ Johannes Berger hörbar werden, entwickelte die Fuge sorgsam hin zu immer größerer Komplexität und dynamischer, geradezu gleißend registrierter Erregung. Das Andante klang dann wie ein glaubenssüchtiges Gebet.

Damit war die Bühne bereitet für die Sinfonie. Johannes Berger hatte sein Orchester Capella München mitgebracht, das aus meist jungen Musikern besteht, denen die Musizierfreude aus den Gesichtern leuchtete. Wenn man ein solches Orchester hat, kann man sich als Dirigent glücklich schätzen – und wirklich ließ sich Michael Gartner von der Musizierfreude und der nimmermüden musikalischen Energie der Musiker anstecken und dirigierte meist schwungvoll-vorantreibend. Die große Bläserbatterie spielte warmsatt und glanzvoll strahlend, rhythmisch äußerst präzise und doch auch gut eingebunden in den Gesamtklang und blies den Chor nie tot. Die Holzbläser waren traumhaft homogen, die Streicher produzierten einen weichglänzenden und geradezu moussierenden, immer leicht überschäumenden Klang. Alles war klanglich fein austariert und rhythmisch wohldurchpulst. So war der zweite Satz, eigentlich ein tänzerisches Allegretto im Dreiertakt, einfach ein orchestrales Wonnebad. Mendelssohn hatte meist einen Riesenchor von über 100 Sängern zur Verfügung, in Christkönig waren es circa 60 Sänger, die wacker mithielten mit dem opulenten Orchesterklang. Die Sänger ließen sich gerne vom Orchester und vom Dirigenten mit- und hinreißen zum großen Lobgesang: Energisch war schon der Beginn mit dem festlich punktierten „Alles, was Odem hat, lobe den Herrn“, die Intonation beim A-cappella-Choral war sicher, überzeugend plädierten sie dafür, die „Waffen des Lichts“ zu ergreifen – allenfalls hätte man manchmal gerne ein paar Konsonanten deutlicher und in der letzten Chorfuge eine etwas gewaltigere Chorwucht gehört. Dafür wiegten sich die begleitenden Männerstimmen gar wonniglich in den melodischen Wogen beim Frauensolistenduett „Ich harrete des Herrn“.

Emily Jung lobte „den Herrn, meine Seele“ mit höhensicher aufstrahlendem und weittragendem Sopran, dem dennoch immer ein Schuss Mädchenhaftigkeit beigemengt ist. Anahita Ahsefs Sopran mischte sich mit ihr gegensätzlich gut im Duett. Ihre Ankündigung des Tages, der die Nacht beendet, kam effektvoll mitten aus dem Kirchenschiff. Das Duett Sopran/Tenor vor dem Schlussgesang stolperte anfangs rhythmisch zwischen Gesang und Orchester – doch Gartner reagierte souverän: Abwinken, Neustart – und dann lief’s.

Das seelische und musikalische Zentrum der Aufführung war der Tenor Herbert Gruber.

Prophetischer
Rufer in der Nacht

Seinen immer leicht entflammbaren und kraftvollen Tenor passte er geschmeidig und wohlartikulierend dem jeweiligen Text an, von der Dankbarkeitsbitte über das Tröstungsversprechen bis hin zum eindringlichen und glaubenssicheren Versprechen „Ich will dich erleuchten“.

Den dreimaligen Ruf „Hüter, ist die Nacht bald hin?“ steigerte er ton- und stimmregistersicher bis hin zur glaubenszweifelnden Verzweiflung – ein prophetischer Rufer in der Wüste der Nacht.

Das Publikum – darunter auch der Oberbürgermeister Andreas März – war stark beeindruckt und bejubelte herzlich und ausgiebig diesen musikalischen Lobgesang. Die Musik ist doch die beste der Waffen des Lichts.