Rosenheim – „Wer von euch war in der Schule?“ fragt Andrea Limmer scheinheilig zu Beginn ihres zweistündigen Programms „Klassentreffen 2.0“ die Zuhörer. Das Publikum bleibt die Antwort angesichts dieser rhetorischen Frage natürlich nicht schuldig. Im Rahmen der Rosenheimer Kleinkunsttage gab die quirlige Kabarettistin, wegen ihrer Körpergröße von 1,58 Zentimetern auch als „Quantenteilchen des Kabaretts“ bezeichnet, Einblicke in ihre niederbayerische Herkunft.
Mit ehemaligen Schülern der Klasse 4a der Grundschule traf sie sich im Tankstellenstüberl, dem einzigen Lokal des Ortes, wo die Speisenkarte ein von der Sonne ausgebleichter Lappen ist. Dabei wirkt Andrea Limmer in ihrem schrillen Teenie-Outfit selber noch wie eine Schülerin. Ihre sprunghafte Sprechweise, mit der sie ein Feuerwerk von originellen Einfällen zündete, erforderte höchste Konzentration.
„Als Tourneekünstler hast du nach Corona kein Standing“, gab Limmer zu. Eher würde sie heute Mitleidsblicke ernten. Ein wenig schade war es allerdings, dass das spritzige Energiebündel an diesem Abend nicht sehr viele Zuhörer hatte. Auch schien ihre temporeiche, oft die Themen wechselnde Sprachakrobatik nicht immer zu zünden. Dass ihre stärkste Waffe gegen Krisen Singen und Tanzen ist, bewies Limmer stimmlich stark mit eingestreuten Liedern wie „Danse la resistance“ oder „Jeder will alt werden“, die sie rhythmisch mit der Ukulele begleitete.
„Die 4a war für alle die erste Abschlussklasse, für manche auch die letzte“, gestand Limmer. Der Säuferlinger Berti, der Huber Thomas, Hasi und Bärli, die hätten heute alle systemrelevante Berufe als Metzger oder Bäcker. „Saubratzen“, innerlich kleine Klaus Kinskis seien sie gewesen, deshalb wollte Limmer später keine Kinder, das habe schon seit ihrem dritten Lebensjahr festgestanden.
Oft gibt die zierliche Kabarettistin ihrer Entrüstung Ausdruck, in dem sie das letzte Wort eines Satzes wie einen Warnruf laut in die Länge zieht. Den Klimawandel verarbeitet sie in dem Lied „Heiz die Koksöfen an“, der „florale Influencer“ Huber Thomas, „ein ganzheitlicher Veganer“, bekommt genauso sein Fett ab wie Hasi und Bärli, die schon in der Grundschule zusammen waren und dumm-stolz das Foto ihres Buben zeigen.
Witzig-ironisch wirkte Limmers „Liebeskummerlied“ über die Deutsche Bahn, dessen Refrain „Ich will fahren“ das Publikum animiert mitsang. Früher, stellte Limmer fest, war der Dorfdepp allein, heut sind alle Dorfdeppen miteinander über das Internet verbunden. Ihr Abschiedslied „Dahoam bist, wo’s Herz ist“ bot dann trotz aller Krisen noch ein Happy End.
Georg Füchtner