„Ringen zwischen Dunkel und Licht“

von Redaktion

Interview Bartholomäus Prankl über das Mozart-Requiem – Aufführung am 12. November

Prien – Am Sonntag, 12. November, erklingt in der Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt das Mozart-Requiem. Die Chorgemeinschaft Mariä Himmelfahrt Prien und das Orchester Capella München werden unter der Leitung von Kirchenmusiker Bartholomäus Prankl das beliebte Werk aufführen. Viele Mythen ranken sich um die Entstehung. Wer war der Auftraggeber, der „graue Bote“? Warum bricht die Handschrift im „Lacrimosa“ genau nach acht Takten ab? Ein Gespräch mit dem Priener Kirchenmusiker über das Werk und das kommende Programm. Da man sich schon seit langem persönlich kennt, wird hier das vertrauliche Du im Gespräch benutzt.

Viele Mythen und Legenden ranken sich um Mozarts Requiem. Was weiß man hier tatsächlich?

Den mit 50 Dukaten sehr gut dotierten Kompositionsauftrag einer Totenmesse erhielt Mozart 1791 durch einen Mittelsmann, da der Auftraggeber anonym bleiben wollte. Erst nach Mozarts Tod stellte sich heraus, dass es Reichsgraf Anton von Walsegg war, der seiner verstorbenen Frau ein musikalisches Denkmal setzen wollte. Der Graf schmückte sich gern mit fremden Federn und bestellte anonym Werke bei renommierten Komponisten, die er dann als seine eigenen ausgab. Da Mozart überraschend erkrankte und in der Nacht zum 5. Dezember 1791 starb, blieb das Requiem unvollendet. Nur den ersten Satz hatte er fertiggestellt, die weiteren Sätze sind fragmentarisch geblieben und die letzten vier Sätze fehlen. Mozarts Witwe Constanze lag sehr daran, ein vollständiges Manuskript abzuliefern, auch schon deshalb, um die zweite, noch nicht bezahlte Hälfte des Honorars zu erhalten. Sie wandte sich an Schüler Mozarts. Mehrere gaben auf, der 25-jährige Franz Xaver Süßmayr übernahm schließlich die schwierige Aufgabe. Erst als der Verlag Breitkopf & Härtel 1799 den Erstdruck des Mozart-Requiems in Zeitungsinseraten bewarb – Constanze Mozart hatte nämlich eine weitere Abschrift der vollendeten Partitur nach Berlin geschickt – trat der Auftraggeber aus seiner Anonymität heraus und stellte urheberrechtliche Forderungen, die durch einen Kompromiss beigelegt werden konnten.

Bis heute ist die Arbeit Süßmayrs im Hinblick auf das Mozart-Requiem immer wieder Kritik ausgesetzt. Erschienen in den letzten Jahrzehnten mehrere Neufassungen. Warum hast du dich dennoch für die Süßmayr-Fassung entschieden?

Franz Xaver Süßmayr wird gern unterschätzt, obwohl er zu Lebzeiten recht erfolgreich war. Sogar Komponisten wie Beethoven oder Paganini verwendeten Zitate Süßmayrs in ihren Werken. Beim Mozart Requiem lagen ihm zum Teil zwar noch Ideen Mozarts vor – die Ausführung gelang ihm freilich nicht in der genialen Weise seines Lehrers. Das war aber auch gar nicht sein Anspruch. Trotzdem war es Süßmayr, dem das Werk die heutige Popularität verdankt. Ich bin kein Freund der „verbesserten“ Neufassungen unserer Tage und halte ich mich lieber an die traditionelle Süßmayr-Fassung.

Was ist für dich persönlich das ganz Besondere am Mozart-Requiem?

Vom Text her betrachtet geht es im Requiem um das Ringen zwischen Gut und Böse, zwischen Himmel und Hölle, zwischen Dunkel und Licht. Obwohl die Sequenz „Dies Irae“, seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil in der Liturgie nicht mehr vorgesehen ist, birgt auch dieser auf den ersten Blick bedrohlich wirkende Teil viel Zuversicht: Ein befreiender, barmherziger Gott, der uns am Tag des Jüngsten Gerichts aus dem Rachen des Löwen befreit und uns vom Tod zum Leben hinübergehen lässt. Mich fasziniert diese spirituelle Komponente, die eindringlich und bildhaft in Mozarts Musik erlebbar wird.

Auf dem Plakat steht die Chorgemeinschaft Mariä Himmelfahrt Prien und das Orchester Capella München.

Die Chorgemeinschaft bezeichnet im engeren Sinn den Priener Kirchenchor, der von allen unseren vier Chören am längsten besteht. So ist auch das Konzert am 12. November das jährliche Konzert des Kirchenchores. Gleichzeitig freuen wir uns, dass bei diesem Konzert Gäste aus unserem Jugend- und dem Kammerchor mitsingen und wir dadurch im weiteren Sinn eine pfarreiinterne Chorgemeinschaft mit Sängern aus drei Chören bilden. Externe „Projektsänger“ gibt es bei uns nicht. Die inspirierende Zusammenarbeit mit dem Orchester Capella München besteht seit mehreren Jahren. Johannes Berger, Leiter und Gründer des Orchesters, ist ein Studienkollege von mir.

Erst das Requiem von Mozart und am 29. Dezember die ersten drei Kantaten des Weihnachtsoratoriums von Bach: Ist das nicht ein bisschen viel Mainstream? Und warum beim Weihnachtsoratorium „nur“ der Kammerchor Capella Vocale und das Barockorchester Concerto München?

Die beiden Werke zählen nicht umsonst zu den beliebtesten der beiden Komponisten und faszinieren Musizierende und Zuhörende immer wieder aufs Neue. Beim Mozart-Requiem gedenken wir auch der im Chor zuletzt Verstorbenen Mitglieder. Die Aufführung des Weihnachtsoratoriums in der Weihnachtszeit hat in Prien Tradition. Besonders ist aber, dass wir diesmal ein Klangbild erzeugen wollen, das sich an historischer Musizierpraxis orientiert: Also kleiner Chor und kleines Orchester mit historischen Instrumenten auf 415 Hertz gestimmt. Das wird eine ganz neue Erfahrung, auf die wir uns freuen dürfen!

Interview: Elisabeth Kirchner

Requiemund Oratorium

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