Dinge und Worte immer im Vordergrund

von Redaktion

Bewegende Matinee zur Eröffnung der Villa Malkowski als Stipendiatenhaus

Brannenburg – Diese von Freunden und Weggefährten liebevoll gestaltete Matinee hätte dem 2003 verstorbenen Dichter Rainer Malkowski bestimmt gut gefallen. 20 Jahre nach seinem Tod eröffneten die Rainer-Malkowski-Stiftung und die Bayerische Akademie der Schönen Künste die sanierte und neu eingerichtete Brannenburger Villa des Dichters, die künftig als Stipendiatenhaus und Künstlerbegegnungsstätte dienen soll.

Konzept der
Begegnungsstätte

Zur Begrüßung stellte der Präsident der Bayerischen Akademie, Winfried Nerdinger, das geplante Konzept der Begegnungsstätte vor. Das alte Bauernhaus ist außen weitgehend gleich geblieben, innen hell und licht eingerichtet und fügt sich harmonisch in die voralpenländische Landschaft ein. Gedacht ist die Villa für Stipendiaten aus den Bereichen Literatur, Musik, Film und bildender Kunst, aber auch für Kulturtage in Zusammenarbeit mit der Gemeinde Brannenburg.

Der Schriftsteller und Verleger Michael Krüger, ein enger Freund des Dichters, beschrieb Malkowski als einen freundlichen und solidarischen, diskreten und zurückhaltenden Menschen, der aber auch eine komische Seite hatte. „Was ihn wirklich bedrückte, hat er dir nie gesagt“, gestand Krüger. Auf seinem Sterbebett habe ihn Malkowski gebeten, sich um sein Werk zu kümmern. Da der Dichter ein leidenschaftlicher Reisender gewesen sei, habe er wegen der Italien-Nähe Brannenburg als Wohnort gewählt. „Malkowski hat die Anteile seiner Werbeagentur verkauft, um zu dichten“, so Krüger. Entstanden ist ein zwölfbändiges Werk mit etwa 800 Gedichten. Alle seine Gedichte kämen aus einem Augenblick, dann entstehe ein Reflexionsprozess. Es gäbe keine Pointe, aber immer noch einen Dreh, so Krüger: „Das Gedicht wird plötzlich in ein ganz anderes Licht gestellt.“

Jan Wagner, Übersetzer und Dichter aus Berlin, gestand, dass er Malkowski nur als Leser gekannt habe. Stets habe Malkowski Worte und Dinge in den Vordergrund gestellt, gemäß seiner Maxime „Der Triumph der Einfachheit ist die Evidenz.“ Der Dichter habe vor allem zwei Motive gehabt: die Uhr und die Karte, stellvertretend für Zeit und Raum.

Wagner las immer wieder einzelne Gedichte und Aphorismen des Dichters. „Vorgetäuschter Tiefsinn“, zitierte Wagner Malkowski, „ist quälender als Dummheit, oder ist er dasselbe?“

Der Lyriker, Essayist und Literaturkritiker Albert von Schirnding erinnerte an die Zeit der Krankheit Malkowskis. Er müsse beim Sprechen manchmal weinen, so Malkowski kurz vor seinem Tod, als ihn von Schirnding im Krankenhaus besuchte. Nun sei er am Ende des Weges angelangt. Während seiner Krankheit habe Malkowski immer wieder Phasen der Produktivität gehabt, nie Selbstmitleid. „Malkowski fand im Leiden sich selbst“, erklärte von Schirnding. Dennoch habe der Dichter stets der Weltfreude Ausdruck gegeben. Der Lyriker zitierte Malkowski abschließend mit dem ergreifenden Satz: „Das ist ein Morgen, so schön, um nicht an den Tod zu denken.“

Literaturwissenschaftler Norbert Miller ist Malkowski erst spät begegnet, ihn verband aber eine enge Freundschaft zu dessen Witwe. „Malkowski“, so Miller, „hatte Demut vor den Dingen und der Schöpfung.“ Die habe er sich sein Leben lang bewahrt. Bei Lesungen habe Malkowski die Gedichte immer ein zweites Mal vorgetragen. In der Wiederholung, so Miller, gäben die klaren Sätze das in ihnen verborgene Geheimnis unerwartet preis, um es beim Leser nachhaltig zu bewahren.

Vermeintliche
Einfachheit

Holger Pils, der Leiter des Lyrik Kabinetts München, betonte die vermeintliche Einfachheit der Gedichte Malkowskis. Im Wechsel mit Gedichten zitierte Pils Sätze aus einem Interview, in dem der Dichter Fragen einer Abiturientin beantwortet. Bereits mit 15 habe Malkowski mit dem Schreiben begonnen. Das Gedichteschreiben vollziehe sich in Schüben. „Ich spüre in der Regel, ich muss unbedingt ein Gedicht schreiben“, verriet Malkowski. Zum Schreiben brauche es aber feste Zeiten. Gott, so Malkowski auf die Frage nach seinem Glauben, sei das nicht zu fassende Große: „Ich habe Ehrfurcht vor ihm, obwohl ich nicht an ihn glaube.“

Zum Schluss der berührenden Matinee las Nachbar Otto Grimm zweimal das Gedicht „Ein Abend in Fidenza“, das Malkowski nach einem gemeinsamen Italienurlaub geschrieben hatte und das er nun der Akademie zur Verfügung stellen wolle. Ein Wort Malkowskis beendete die Erinnerungen an den Dichter: „Seit Kain und Abel wissen wir, dass alle Menschen Brüder sind.“

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