Historisches Drama voller Aktualität

von Redaktion

Uraufführung des Stücks „Bartholomäus Nacht 1572“ im Rosenheimer Tam Ost

Rosenheim – Im Tam Ost fand am vergangenen Samstag die Uraufführung von „Bartholomäusnacht 1572“ unter der Regie von Alexander Zinn und Mirjam Bertagnolli statt. Die bedrückende Aktualität des historischen Dramas aus dem Jahr 1572 fesselte das Premierenpublikum. Henri von Navarra sitzt von der Welt verlassen an der Bühnenrampe. Der sonst so aufrechte Protestant hat den langen Rücken gebeugt, er ringt die Hände. Er berichtet von den Gräueltaten, die die Katholiken an den Protestanten in der vergangenen Nacht begangen haben. Stockend zählt er die Untaten auf und versinkt in seiner schwarzen Protestantenkluft. „Ich kann das nicht vergessen“, sagt Henri.

Katastrophe von 1572
wirkt bis heute nach

Diese Szene ist nur ein Ausschnitt aus dem aktuellen Stück des Tam Ost, das sich einem historischen Religionskonflikt in Frankreich vor 451 Jahren widmet. Das Massaker der Katholiken an den Protestanten fand in der Bartholomäusnacht in Paris 1572 statt und führte zu Pogromen gegen die protestantische Bevölkerung Frankreichs.

Den Stein ins Rollen brachte eine als Friedensprojekt geplante Hochzeit. Die katholische Königstochter Margot de Valouis sollte den protestantischen Adeligen Henri de Navarra heiraten, während der Feierlichkeiten kam es aber zu einem verfehlten Anschlag auf den protestantischen Admiral de Coligny. Daraufhin richteten die Katholiken, die Rache der Protestanten fürchtend, ein Blutbad an. Bis zu 10 000 Protestanten wurden umgebracht, unter ihnen Frauen und Kinder. Bis heute ist dieser Massenmord tief in das kollektive Gedächtnis unserer französischen Nachbarn eingebrannt. Denkmäler, die an die Ermordeten erinnern sollen, wurden errichtet und „Saint-Barthélemy“ gilt im Französischen gemeinhin als Synonym für Massaker. Alexander Zinn und Mirjam Bertagnolli, die gemeinsam sowohl die Regie als auch das Textbuch gestalteten, widmen sich in diesem Jahr mit ihrem achtköpfigen Ensemble folglich keinem leichten Stoff. Brachte Alexander Zinn im letzten Jahr mit „Die Party“ von Sally Potter noch eine recht heitere Persiflage der Gesellschaft auf die Bühne, so sehen wir nun mit „Die Bartholomäusnacht 1572“ eine wahrhaftige Tragödie. Statt den beige-bürgerlichen Sofas und den Sideboards mit Kristallgläsern des letzten Jahres, steht heuer eine einsame Pariser Straßenlaterne mit zwei Bänken links und rechts auf der schwach ausgeleuchteten dunklen Bühne. Durch den zartpastellrosafarbenen Anstrich der Laterne und der Bänke, wirken diese Grundkomponenten eines Pariser Platzes abstrakt und erschaffen den Eindruck einer Spielstadt. Ähnlich spartanisch wie das Bühnenbild ist das Kostümbild und die akustische Untermalung.

Einzig das dröhnende Glockengeläut von Notre-Dame erklingt an mancher Stelle, während die größtenteils dunkelgekleideten Schauspieler über die Bühne huschen. Die schwarze Leere der Bühne erzählt von der Dunkelheit der Zeit und erschafft den Eindruck einer ewigen Nacht – der Bartholomäusnacht. Die Schauspieler bilden in dieser abstrakten Spielstadtabbildung eines Pariser Platzes, angestrahlt durch das Scheinwerferlicht, einen harten Kontrast zur Schwärze um sie herum und wirken dadurch losgelöst vom Raum, was auch ihnen etwas spielfigürliches gibt. Wie Astronauten, die in die Dunkelheit des Weltalls taumeln.

Erinnerungen
an die „Iron Lady“

Olivia Raclot spielt Margot de Valouis, die Tochter der faktischen Regentin Catherine de Medici, und durchläuft im Stück eine Wandlung. Wie spottet und lacht Margot mit der katholischen Fanatikerin Diane de Guiche, von Julia Plank mit viel Verve dargestellt, zu Beginn über den ihr verhassten protestantischen Bräutigam Henri de Navarra, dargestellt von Gerd Niedermayer. Und wie ängstigt und sorgt sie sich später wegen seiner prekären Lage. Ninette Sellmair verkörpert die Mutter des schwachen und paranoiden Königs Charles de Valois IX. (gespielt von Florian Bogner). Sie erinnert mit ihrer gnadenlosen, starren Haltung und dem zu einer geraden Linie verzogenen Mund an eine englische Staatsfrau des letzten Jahrhunderts, die Iron Lady. Yves Lioncourt stellt den Admiral de Coligny dar und hat einen stürmischen Aufritt, bevor er von den blutrünstigen katholischen Fanatikern de Guise (Oliver Majer-Trendel) und de Guiche ermordet wird.

Die Stimme der Ruhe und Vernunft in diesem Konflikt, ist die Amme des Königs, die von Birgit Schier gespielt wird. Die fesselnde Kraft des Stücks liegt insbesondere in seiner Aktualität begründet. Es verhandelt schlussendlich einen historischen Religionskonflikt und ein damit verbundenes Massaker innerhalb einer Familientragödie. Die Gräben zwischen den Parteien sind tief und auch die Brutalität von Politik, die Menschen zu Spielfiguren macht, wird gezeigt. Es ist sehr still im Theatersaal des Tam Ost, als Gerd Niedermayer den Monolog von Henri de Navarra spricht. Er berichtet von der Gewalt gegen protestantische Männer, Frauen und Kinder. „Ich kann das nicht vergessen“, sagt Henri de Navarra und man muss an die Nachrichten aus dem Nahen Osten denken. Im Stück erscheint immerhin ein Hoffnungsschimmer zum Ende hin, denn so viel sei gesagt: Die katholische Margot und der protestantische Henri bleiben ihr Leben lang Vertraute, sie sterben im selben Jahr.

Termineund Karten

Artikel 5 von 9