Rosenheim – Rosenheim ist bunt, auf jeden Fall, was die breitgefächerte Theater-Landschaft betrifft. Da lebt in friedlicher Koexistenz das deftige Volkstheater neben Shakespeare oder Calderon, da tummeln sich turbulente Boulevard-Komödien und experimentelles Regietheater; hin und wieder wagt sich auch eine Performance an die Öffentlichkeit.
Diesmal ist der vieldeutige Titel „Brot*Zeit“. Der Pressetext verspricht einen „Abend über die Frage nach Gemeinschaft und den Platz, den man dort findet oder eben auch nicht.“
„Hans bleib da“ war schon vor dem Start als Endlosschleife zu hören, „du woaßt ja ned, wias Weda werd“. Nun ja, der nieselnde Novemberregen hielt offenbar nur wenige vom Besuch des „Affekt“ ab. Es wurde immerhin ein Ereignis versprochen, an dem alle, die gerne gemeinsam essen, ihre Freude haben.
Julia Schöll hatte „dekonstruierte Brotzeitplatten“ entworfen, das bedeutete, die riesige Tafel, die als Viereck den großen Saal des „Affekt“ umschloss, war mit durchaus präsentablen Leckerlis bestückt. Das hatte ästhetischen Reiz, der einer Kunst-Ausstellung zur Ehre gereicht hätte. Alle, die sich zuhause schon den Magen gefüllt hatten, fluchten insgeheim über ihre Voreiligkeit. Man fühlte sich so wohl, als sei man in der berühmten Geschichte der Tanja Blixen bei „Babettes Gastmahl“ gelandet. Doch dann polterte urplötzlich ein Irrwisch (Sara Sukarie) in schwarzem Tüll-Röckchen unter die Zuschauer und verkündete mit schneidender Stimme einige verstörende Statements ins genüsslich mampfende Publikum: Die Hoffnung sterbe zwar zuletzt, aber was dann!? Darauf ein absurdes Hickhack mit einem Huhn (Anna Grude), das ratlos umher stakst und keine Eier mehr legt, legen kann oder will? „Und wie isst du ein Ei, mit oder ohne Kruste“? Eine komische Frage, an der die Fragen nach der Zersplitterung der Gesellschaft oder die allseits drohende Einsamkeit zerbröseln und das Publikum in befreiendes Gelächter ausbrechen ließ. Zwar wird diese Einsamkeit, die uns alle im Griff hat, wiederholt aus dem Lautsprecher beschworen: Noch 49 Minuten und 33 Sekunden! Aber die guten Bissen schienen doch ein probates Mittel gegen finstere Einsamkeits-Depressionen zu sein.
Wie war das doch gleich wieder mit dem Bauern und dem Stier? Egal, es fielen so etliche unerwartete Witzchen, kleine Blitzlichter, charmante Bonmots, welche die Stimmung weiter lockerten, und die man sich unmöglich alle merken konnte. Derweilen eilten die emsigen Saaltöchter hin und her, auf dass nur ja niemand auf dem Trockenen säße oder gar am Hungertuch nagen müsse.
Licht und Ton sorgten für gezielte Steigerung der Emotionen, denn schließlich sollte man ja auch zum Nachdenken über unsere existenzielle Situation gebracht werden. Aber, und das ist sicherlich ein großes Plus dieser mit scheinbar leichter Hand gewebten Performance, nichts wollte man mit dem Holzhammer erzwingen. Es ist schwer, die schweren Probleme mit Witz und Grazie zu präsentieren.
Für solche Leistung wohl bekommt die Regisseurin Anna Grude, die auch die vielgelobte „Medea“ inszeniert hatte, den Förderpreis der Stadt Rosenheim. Walther Prokop