Südbairisch, Niederbairisch und Niederdeutsch

von Redaktion

Kein Faschingsscherz für den 11. November: Es gibt bei einer kleinen, ausgewählten Anzahl von Ortschaften im Inntal, im Mangfalltal und im Chiemgau Anzeichen, wonach sie eigentlich im falschen Sprachraum liegen und ganz woanders hingehören.

Angeregt wurde die Überprüfung unserer Sprachlandschaft durch eine sprachwissenschaftliche Aussage, die Heinz Schober-Hunklinger, der neue Vorsitzende des Fördervereins Bairische Sprache und Dialekte, in einem unlängst in den OVB-Heimatzeitungen erschienenen Interview geäußert hat. Auf die Frage, was denn das Besondere am Dialekt in Rosenheim sei, antwortete Schober-Hunklinger wie folgt:

„In Oberbayern gibts a L-Vokalisierung. Das hoaßt, dass bei Wörtern wie ‚Wald‘ oder ‚Kalt‘, dass ‚L‘ zum ‚I‘ wird und man ‚Woid‘ und ‚koid‘ sogt. Des is typisch fia s Mittelbairische. Ab Innsbruck wirds dann zum Südbairischen, wo das ‚L‘ wieder ganz anderscht betont werd“.

Abgesehen vom leicht verhunagelten Wortlaut (besser: … oder ‚kalt‘ das ‚L‘ zum ‚I‘ werd …) ist die Hypothese, wonach das Südbairische erst ab Innsbruck beginnt, ernsthaft zu hinterfragen. Und zwar in Rosenheim und Umgebung!

Klar ist Folgendes: Natürlich heißt es in unserer Region nicht „Wold“ für „Wald“, so wie im Nordbairischen alias Oberpfälzischen, sondern „Woid“. Aber wie lautet denn die Aussprache des Brannenburger Ortsteils Milbing? „Muibing“ wäre die korrekte mittelbairische Wiedergabe, ähnlich wie ein „Bild“ a „Buidl“ wäre.

Aber wie schaut’s hier tatsächlich mit der L-Vokalisierung aus? In der Region am Fuße von Wendelstein, Breitenberg, Sulzberg, Farrenpoint und Auer Berg zeigt man sich im Album keine Buidl, sondern Bildl. Demgemäß heißt Milbing eben Milbing oder Milwing und nicht Muibing. Die Mühle steht tatsächlich erkennbar in den frühen Belegen aus dem 12. und 13. Jahrhundert im Bestimmungswort des Namens: Muliweng, Mulewingen, Muelbinge, später Milwing, wie es der nichtbairische Geograf Philip Apian im 16. Jahrhundert lautgetreu überliefert hat. Aber ein mögliches „Mühlenwang“ beziehungsweise „Muinwang“ hat sich bis heute nicht durchgesetzt. Somit haben wir eine interessante sprachliche Besonderheit für „Rosenheim-Süd“ vorzuweisen. Nennen wir sie „südmittelbairische L-Beibehaltung bei der Silbe -il“!

Für „Rosenheim-Nord“, aber enddan I – jenseits des Inns –, haben wir im Interview mit Redakteur Raimund Feichtner aus Rimsting zwar die L-Vokalisierung vorgefunden, aber in der Aussprache Niederbayerns: Viel Gefühl ist links des Inns „vui Gfui“, rechts aber, beispielsweise z Rimschding, „vej Gfej“.

Damit es mit der L-Vokalisierung nicht „z vil“ – so heißt es zwischen Brannenburg und Au bei Bad Aibling – wird, sei noch eine möglicherweise norddeutsche Ortsbezeichnung in unserem Raum genannt. Im Dialekt heißt Mietraching bei Bad Aibling „Miadakin“.

Eine niederdeutsche K-Schreibung ist für das Jahr 804 im Ortsnamen Modrikingun überliefert. Wenig später aber ist nur noch – gemäß der hochdeutschen Lautverschiebung (siehe: „maken“ wurde zu „machen“, vollzogen bis zum Jahre 750) – die ch-Schreibung belegt. Dennoch: Im Ortsdialekt von Mietraching hat das niederdeutsche „K“ überlebt!armin höfer

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