Aufwühlende Dramatik begeistert mit Süße und Trost

von Redaktion

Bartholomäus Prankl und die Chorgemeinschaft Mariä Himmelfahrt überzeugen mit Mozarts „Requiem“ in Prien

Prien – Hochbegabte im Dunstkreis von Genies haben es schwer, sie werden von der Nachwelt belächelt, wenn nicht gar naserümpfend abqualifiziert. Franz Xaver Süßmayr, erst Schüler dann enger Vertrauter Mozarts, hatte das Pech, das unvollendete Requiem des Meisters auf Bitten Constanzes „fertig zu schreiben“.

So geriet der Gute in den Fokus der Weltöffentlichkeit und die Schelte blieb nicht aus. Trotz aller Versuche, den unverfälschten Mozart von allen Zutaten zu reinigen, hat sich halt die Süßmayrsche Fassung durch „Gewöhnung und Gewohnheit“ eingebürgert. Musikwissenschaft und Aufführungspraxis müssen nicht immer kongruent harmonieren, ebenso wenig wie Theologie und Pastoral.

Bartholomäus Prankl hatte sich bewusst für die „vollendete“ Fassung von Mozarts Adlatus entschieden und damit einen atemberaubenden Treffer gelandet.

Konkret: Die „Chorgemeinschaft Mariä Himmelfahrt“ (bestehend aus Kammer-, Kirchenchor und Zuwachs aus dem Jugendchor) war nicht nur quantitativ, sondern durchaus qualitativ das Herzstück. Zupackend und offensiv ließen die Sängerinnen und Sänger nicht nur die Höllenflammen im „Dies irae“ in dramatisch zugespitztem Furor auflodern, beglückten die Hörer mit innig-süßem Ton in höchster Höhe („voca me cum benedictis“) und glänzten durch eine Diktion, die an Präzision und Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig ließ, gerade auch wenn Mozart (und der Dirigent) die Mannschaft in straffem Tempo durch die Fugen trieb: Emotionale Wirkung durch technisches Kalkül!

Das Solistenquartett stand wieder aus Platzgründen abseits vor dem Seitenaltar – freilich nicht „im Abseits“. Ergreifend, wie im „Tuba mirum“ – da bläst schon die Posaune des Jüngsten Gerichts! – zunächst der Bass (Thomas Schütz) mit lyrischem Ansatz die möglichen endzeitlichen Schrecken relativiert, wie der Tenor (Berthold Schindler) eindringlich die Rechenschaft dem Herrn gegenüber beschwört. Die Altistin Hana Katsenes berichtet mit sanfter Stimme, dass nichts ungerächt bleibt.

Und dann krönt die Sopranistin Jenavieve Moore nicht nur stimmlich diesen Endzeit-Disput mit der Frage: „Was werd‘ Armer ich dann sprechen?“ Zu guter Letzt vereinigen sich die Solisten zu dem Ruf: „Welchen Mittler soll ich rufen, da selbst der Gerechte zittert!“ Die vier Solisten harmonierten derart perfekt miteinander, dass der Hörer das Gefühl bekam, so schlimm kanns gottlob nicht werden.

Das Orchester „Capella München“ war den Sängern nicht nur ein punktgenauer, sondern auch ein inspirierender Begleiter. Als Auftakt legten die Instrumentalisten quasi den roten Teppich für Mozart aus mit dem beliebten „Adagio for Strings“ des Amerikaners Samuel Barber. Wie zarte Schleier schwebten die sich mischenden Linien und Klangfarben der Streicher und bereiteten so unaufdringlich die Stimmung für Mozarts ebenso aufwühlende wie tröstliche Totenmesse.

Der souverän und präzise dirigierende Bartholomäus Prankl zeigte wieder einmal mehr, dass die Priener Kirchenmusik weiterhin in besten Händen ist. Der Chorleiter hat seinen „Apparat“ fest, aber elastisch und flexibel im Griff.

Wie immer enthusiastischer Beifall im voll besetzten Kirchenraum.

Walther Prokop

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