Bernau – Panta rhei – alles fließt. Ein wenig an die Gedankenwelt des Philosophen Heraklit erinnern die Werke der Künstlerin Eva Dahn-Rubin. „Bewegte Stille/Moving Silence“ ist der Titel einer Ausstellung und einer Reihe großformatiger Arbeiten, die noch bis 7. Dezember in der Galerie Marah-Art zu sehen sind. Neben Gemälden zeigt Dahn-Rubin dort auch Objektkunst und Installationen.
Inspiriert durch
Dauerregen
Die Aschauerin ist durch intensive Regenfälle während ihrer Arbeit im Gewächshausatelier zu der neuen Serie von Arbeiten inspiriert worden. Die Eintönigkeit beständiger Regentropfen auf dem Glasdach kann ja durchaus etwas sehr Meditatives haben. An rinnende Tropfen, die sich zu langen Spuren oder Fäden voll leuchtend-pulsierender Farbe aus Tempera und Acryl nebeneinanderreihen, verdichten und dabei mit Energie aufladen, erinnern die Arbeiten der „Moving Silence“-Reihe. Es fasziniert, wie die Rinnsale voll intensiver Farbkraft und Vitalität einerseits über das ganze Bild streichen und dabei eine Art Ausschnitt aus dem unendlich wiederkehrenden Fluss des Lebens oder bunter Gedankenströme widerspiegeln.
Andererseits greift Eva Dahn-Rubin beherzt mit Pinsel und Spatel in den vielfach geschichteten Malgrund mit seinen Farbschleiern ein und lässt so neue Wirbel, Linien, Spiralen, Formen und Farbfelder in „erstarrter Bewegung“ entstehen. Diese setzt sie gekonnt miteinander in Spannung, sodass sich neue Aussagen, Wirkungen und Einsichten manifestieren.
Mitunter mag man sich wie im Auge des Zyklons vorkommen, wo sich das Paradox von Stille und Ruhe mit dem Gegensatz von machtvoller Bewegungsenergie und Dynamik vereint. Ein wenig erinnert „Moving Silence“ auch an die aus dem Zen-Buddhismus bekannte Praxis des „kinhin“, der Meditation im Gehen voll Achtsamkeit.
Nicht zuletzt mögen existenzielle Erfahrungen der Corona-Zeit, die viele durchgemacht haben, die Kunst von Eva Dahn-Rubin zu einer neuen Form von ausdrucksstarker Ungegenständlichkeit und Tiefe weiterentwickelt haben. Bisher waren ihre Arbeiten häufig inspiriert vom Primitivismus, von Action Painting, tribaler Kunst, Werken der Aborigines oder indigener Völker wie auch des Surrealismus. Sie lassen eine ganz eigene künstlerische Handschrift voller Geheimnisse erkennen, die nicht selten auch der Spannung der Geschlechter nachspürt. Dahn-Rubin nahm die Betrachter ihrer Werke bisher bereits gern in andere Realitäten und unbewusste Traumwelten mit. Wie in einem kosmischen Tanz waren die Figuren, die die leidenschaftliche Tänzerin und Percussionistin auf der Leinwand zum Leben erweckt hat, mit ihrer Umgebung verwoben.
Die Arbeiten in Bernau lassen gerade in ihrer Vielfalt eine neue Art von innerer künstlerischer Befreiung erkennen. Dies äußert sich auch in Installationen der Künstlerin. Ein archaischer „Altar“ ermahnt zur Betrachtung der Welt in Demut. „Es tut mir leid“ kombiniert gebrauchte Milchtüten mit Gänsefedern und goldglänzenden Putzschwämmen zu einer Gedenkstele an Tierausbeutung. In die per Band zu einem Kreis zusammengeknoteten Puppen mit kurz geschnittenen Haaren („Verbunden“) werden überkommene Erziehungsideale, Frauenbilder und Identitätsmuster kritisch hinterfragt. Die Transformation wird in „Barbies Freiheit“ deutlich, in dem eine Puppe durch das goldene Tor der Freiheit schreitet.
Kreis der Stille
schließt sich
Mit der Installation „Eine Welt“ schließt sich der Kreis aus der Stille in die Bewegung. Als goldener Schatten an der Wand verharrt die Welt auf ihrem zugewiesenen Platz im Universum, während sie sich in Ergänzung als Kugel durch den Galerieraum bewegen lässt. Damit soll sie auch uns auf der Suche nach neuen Lösungen aus der Erstarrung lösen und lustvoll in Bewegung bringen.