Mit dem A-cappella-Zug quer durch die Genres

von Redaktion

Die „Rimsinger“ holen mit einem begeisternden Konzert im Rimstinger Gemeindesaal ihren 20. Geburtstag nach

Rimsting – Volksmusik statt moderner Chorgesang? Angekündigt war zwar ein „etwas anderer Chor“, der sein 20-jähriges (plus zwei) Bestehen feiern möchte, aber die Erwartungshaltung doch eher eine andere. Ein vierstimmig gesungenes „Grüß euch Gott miteinander“ tönt von der Bühne in den ausverkauften Rimstinger Gemeindesaal, vermischt sich mit Klängen von Kontrabass und Ziach. Bairische Volksmusik vom Feinsten. Artig wird applaudiert, derweil ein Moderatoren-Paar – Elisabeth Stögmüller und Werner Aß – jetzt hoffentlich für Aufklärung sorgen wird. Als die „Die Otterkringer Musikanten“ wird das Quartett vorgestellt – nochmals braves Klatschen. Gibt’s die überhaupt in dem Rimstinger Ortsteil? „Ihr seid aber sicherlich nicht gekommen, um einen volksmusikalischen Hoagart zu erleben“, mutmaßt Stögmüller. „Sondern einen Chor mit Humor, der bekannt ist um den gesamten Schafwaschener Winkel und weit darüber hinaus bis nach Höslwang“, so Aß.

Aber wahrscheinlich nicht bis nach Rosenheim. Was vielleicht der Grund dafür sein könnte, dass an diesem Laienchor der etwas anderen Art bislang eine kulturelle Auszeichnung des Landkreises vorbeiging… Obwohl: Da gab’s doch schon Auftritte im Ballhaus? Sei’s drum.

Endlich ist es soweit: „Und hier sind sie: Die Rimsinger.“ Rhythmisches Stampfen tönt vom Bühnenhintergrund in den Zuschauerraum, wird lauter, rechts bewegt sich jetzt der Bühnenmolton – dann „rollt“ er gemächlich heran auf die Bühnenbretter, der „Rimsinger-Chor-Zug“: Die angewinkelten rotierenden Arme abstrahieren die Kolbenstangen der Lok, mit zischenden Lauten simulieren die 18 Sängerinnen und Sänger die Dampfgeräusche der Zylinder. Eine Pfeife ertönt, der Zug stoppt – das Zischen löst sich auf in ein mehrstimmiges „Chunga chunga chung“. Das klingt bekannt – und ist schnell erkannt: Ein Intro zum Hit des britischen Sängers Albert Hammond: „I’m a Train“ aus dem Jahr 1974. Die nächste Mutmaßung wird daneben gehen: Wer jetzt einen Popsong mit brav gesetzten Stimmen erwartet, liegt völlig daneben. Der Vortrag der „Rimsinger“ erinnert unweigerlich an das legendäre New Yorker Vokal-Ensemble „Manhattan Transfer“, das durch seinen kunstvollen A-cappella-Gesangsstil seit Mitte der 1970er-Jahre Musikgeschichte in den Genres Jazz und Pop schrieb. Brilliant, wie Chorleiterin Rebecca Landinger Stimmlagen, Rhythmik und Ablauf arrangiert hat; einfach hinreißend, wie der Chor diesen Vorlagen – durchsetzt mit schwierigen harmonischen Passagen – folgt und den Popsong zum jazzigen, groovenden Klangerlebnis werden lässt. Schon mutig, ein solch herausforderndes Stück an den Programmanfang zu setzen. Aber die „Rimsinger“ können das.

Damit wird gleich deutlich, wohin die musikalische Zugreise quer durchs Abendprogramm führen wird. Die „Rimsinger“ aber musikalisch im Stil festzulegen, wird nicht gelingen: Ob Pop, Rock, Jazz oder Klassik – der „etwas andere Chor“ singt sich auch beim Jubiläumskonzert quer durch alle Genres. Sie umgarnen ihr Publikum mit perfekt vorgetragenen deutschen oder internationalen Swing-Titeln oder südamerikanischer Samba, bedienen sich an Stücken von Abba bis zu den Chordettes, von den Comedian Harmonists bis zu Spider Murphy Gang, von Duke Ellington bis zu den Beatles. Ihre Darbietungen sind immer behaftet mit einer persönlichen Note, abseits von Mainstream-Programmen, die in der Regel von Laienchören erwartet werden. Abwechslungsreiche Choreografien wie auch Comedy angehauchte Persiflagen auf James Bond oder Elvis Presley lassen die Augen mitgenießen und das Publikum mehrfach ausflippen. Für Kontraste sorgen Steptanz (Karin Esser) und bairischer Schuhplattler (Raimund Feichtner) beim Titel „New York, New York“.

Mit einem inbrünstig vorgetragenen Abba-Titel endet ein Abend, der in den nächsten Tagen beim Publikum garantiert für „Ohrwürmer“ sorgen wird. „Thank You For The Music“, singt der professionelle Laienchor; danke für den fantastischen Abend, lässt sich aus dem frenetischen Schlussapplaus ableiten.Ulrich Nathen-Berger

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