Trostversprechen durch Mantelmadonna

von Redaktion

„Sänger ohne Grenzen“ singen das Brahms-Requiem in Rosenheimer Christkönigkirche

Rosenheim – Sie nennen sich „Sänger ohne Grenzen“, weil sie aus Bayern, Tirol und Südtirol kommen und sich auf der Basis des gemeinsamen Singens auf Reisen konstituiert haben. Geleitet werden sie von Michael Anderl, Kirchenmusiker in der Christkönigkirche. Sie alle hatten sich ein gewichtiges Werk ausgesucht, „Ein deutsches Requiem“ von Johannes Brahms, kurz „Brahms-Requiem“ genannt. Nach einer erfolgreichen Aufführung in Traunstein haben sie dieses Werk auch in der Christkönigkirche präsentiert. Michael Anderl hatte die von Brahms selber hergestellte Fassung für zwei Klaviere und Pauken gewählt.

Gesang voll
tiefen Ernstes

Doch vor Brahms kam Brahms, nämlich dessen „Begräbnisgesang“ op. 13 im tragischen c-Moll und im Trauermarschtempo – Brahms war wahrlich nicht berühmt dafür, oft gelacht zu haben. Die Sänger realisierten den tiefen Ernst dieses Gesanges, konnten dynamisch aufdrehen, hätten sich aber durchaus noch wonniglicher in die Akkorde betten können. Hier hatten schon das Klavierehepaar Rolf und Jeanne Plagge an zwei Flügeln dezent begleitet, für die Motette „Das ist je gewisslich wahr“ SWV 277 von Heinrich Schütz wählte Jeanne Plagge ein Portativ. Im den homophonen Teilen war der Chorklang stattlich, den Sängern sah man den Eifer an, alles hätte aber noch akzentuierter, sprachlich und rhythmisch schärfer sein müssen – und immer wieder spürte man einen kleinen Hang zum Detonieren.

Im Brahms-Requiem entfalteten die beiden Flügel sorgsam dosierte Klanggewalt, im letzten Satz imitierten sie schön die schimmernd schwimmenden eigentlichen Geigenfiguren. Im zweiten Satz, dem Trauermarsch im Dreivierteltakt, kamen die Pauken dazu, von Barbara Brunner feinsinnig und wirkungsvoll eingesetzt mit richtigen dynamischen Schattierungen bis hin zum majestätischen Donnern. Anderl ließ diesen Trauermarsch zu den Worten „Denn alles Fleisch, es ist wie Gras“ in strengem Legato eher wie einen Trauer-Choral wirken, der fugierte Schlussteil kam befeuert jauchzend.

Dass der Tenor – wie so oft in Chören – zahlenmäßig dünner besetzt ist, merkte man vor allem im 4. Teil („Wie lieblich sind deine Wohnungen“), der im Dreivierteltakt lieblich schwang, und im 6. Teil, wenn die schallenden Posaunen besungen werden. Da beschleunigte Anderl das Tempo, sodass der Chor geradezu höhnend über den Tod und die Hölle triumphierte: „Tod, wo ist dein Stachel, Hölle, wo ist dein Sieg?“. Anderl dirigierte immer mit exakt-runden Gesten, die den Chor nie zum Forcieren, zum Überdrehen animierten, so exakt, dass die gefürchtete Stelle bei „Ich hoffe auf dich“ problemlos kam und das darauffolgende Fugengetümmel eben kein Getümmel wurde. Der hell-gerade Klang der Soprane, der konturierte Klang der Altistinnen und die warme Tiefe der Bässe waren immer gut anzuhören, besonders gut alles im Weben und Wogen des letzten Satzes, in dem die Seligkeit der Toten beschworen wird. Aber mehr hörbare Konsonanten hätten die Textverständlichkeit gefördert.

Persönliche Erschütterung

Den Ton der persönlichen Erschütterung stimmt immer der Bass-Solist an: Bonko Karadjov sang seine mahnenden Worte mit machtvoll strömendem Bass eher lyrisch klagend als verzweifelt anklagend und dann ohne alttestamentarischen Zorneseifer bei der Ankündigung der Gerichtsposaunen.

Als die Sopranistin Eva Maria Amman ihre Arie anstimmte, schienen die Zuhörer geradezu elektrisiert und in der eiskalten Kirche wurde es schlagartig ein paar Grad wärmer: Mühelos die große Kirche füllend war ihr Sopran mit tragischem Timbre und keine Scheu hatte die Sängerin, ihre Stimmkraft auszuspielen. Doch sie konnte sofort darauf ihre Stimme wieder herunterpegeln zu wärmendem Trost. So hörte sich ihr Trostversprechen wie eine mütterliche Allmacht an, ihre Stimme umhüllte die Zuhörer wie eine riesige Mantelmadonna, die allen Schutz und Schirm bietet: eindrucksvoll und hinreißend. Langanhaltend und herzlich war der Applaus der ganz konzentriert lauschenden Zuhörer.

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