Ästhetik und inhaltliche Wucht

von Redaktion

Fotograf Tom Hegen zeigt Bilder vom Salz in der Städtischen Galerie Traunstein

Traunstein – Jeder kennt den Effekt, wenn man mit dem Flugzeug über ferne und fremde Länder fliegt. Die besonders spannenden Momente sind die Phasen des Aufsteigens und Landens. Wenn sich aus geometrischen Mustern in großer Höhe Landschaften formen, diese sich zu Feldern und Städten verwandeln bis man Autos und Menschen erkennt und schließlich selbst in das Alltagsgeschehen eintaucht.

Eine ganz neue und faszinierende Sicht auf vom Menschen geformte Landschaften zeigt der Grafiker, Fotograf und Künstler Tom Hegen.

Mit der Drohne
oder dem Helikopter

Auch er steigt mittels Drohne oder zuweilen auch mit dem Hubschrauber in die Luft. Die Ergebnisse sind gleich in mehrfacher Hinsicht verblüffend. Dem 1991 geborenen Augsburger gelingt das Kunststück, den dokumentarischen Charakter der Fotografie mit künstlerischen Aspekten bis hin zu Fragen der Psychologie, Soziologie und Ökologie zu verbinden. Die unterschiedliche Höhe, aus der Hegen seine Aufnahmen macht, und der Blickwinkel nach unten machen Strukturen sichtbar, die sonst verborgen bleiben.

In einer beeindruckenden Vielzahl von zum Teil dramatisch anmutenden und nach Themen gegliederten Fotoserien spürt Hegen dem weltweiten Einfluss des Menschen auf die ihn umgebende Natur und Landschaft nach. Etwa, wenn er Luftaufnahmen von Kupfer- und Goldminen, Marmorbrüchen, Austernfarmen, Solarfeldern, Badestränden, Gemüseplantagen oder dem Kohleabbau zeigt. Zugleich setzt er aber auch die Formenvielfalt und Wunder der Natur selbst in Szene. Dies zeigen Fotoserien über Gletscher und Eisberge, verschneite Wälder oder Sanddünen. Durch diese Art der Verknüpfung macht Hegen den mittlerweile unübersehbaren „Fußabdruck“ deutlich, den der Mensch auf der Erde hinterlässt, und den Umgang des „homo sapiens“ mit seinem Heimatplaneten.

In einem umfangreichen Opus hat sich Hegen auch dem Thema der Salzgewinnung gewidmet. Für die Städtische Galerie in Traunstein war dies ein Glücksfall. Passend zum Motto der Chiemgauer Kulturtage „Salz Reich“ zeigt eine aktuelle Ausstellung eine Auswahl von Hegens Luftbildfotografien aus fünf „Salz-Serien“.

Diese erforschen die zur Salzgewinnung durch den Menschen geschaffenen unterschiedlichen Landschaften aus den USA, aus Australien, dem Senegal, Indien und Frankreich.

Der inzwischen mit einer Vielzahl renommierter Fotografie- und Designpreise ausgezeichnete Augsburger macht uns auf Orte aufmerksam, die wir aus dieser Perspektive wohl noch nie gesehen haben. Zu denen wir aber alle einen Bezug haben: Denn die Ressource Meersalz, die wir im Alltag konsumieren, hat hier ihren Ursprung.

Der spezielle Reiz der gezeigten Aufnahmen liegt darin, dass sie die Fotografien weit über ihren dokumentarischen Wert hinaus um neue Lesarten, Perspektiven und inhaltliche Aspekte erweitern. Bedingt durch die unterschiedliche Farbigkeit, die die Ansiedlung bestimmter Algenarten in den Salzseen und Salzgewinnungsanlagen zur Folge hat, entstehen Ansichten von hoher malerischer Qualität und Ästhetik. Rot-, Grün-, Blau- und Erdtöne wechseln mit Weiß- oder Grau- und Pastelltönen. Man fühlt sich zuweilen an die spirituelle Farbfeldmalerei eines Mark Rothko oder an die flächige Geometrie von Hard-Edge-Bildern erinnert.

Je nach Aufnahmehöhe und Blickwinkel der Fotos oder dem Betrachterabstand vom Bild wechselt der Fokus der Aufmerksamkeit. Mal nehmen einen der hohe ästhetische Reiz intensiver Farbfelder, mal die verschlungenen Geometrien der Straßen, Brücken und Salzfeldwälle gefangen. Dann sind es wieder die hochaufgelösten Details senegalesischer Salzarbeiter mit ihren Eselskarren, die die Mühsal und möglichen Gesundheitsgefahren erkennen lassen, mit der die Salzschätze der Erde abgetrotzt werden. Die Landschaftskompositionen und Farben, die Hegen nach einer intensiven Bearbeitung der Fotos am Computer zeigt, lassen bei aller Faszination für die Ästhetik immer wieder auch die Fragwürdigkeit menschlicher Eingriffe unter Umwelt- und Klimaschutzgesichtspunkten aufscheinen.

Fragwürdigkeit menschlicher Eingriffe

Von daher versteht es Hegen, dem Besucher seiner Ausstellungen über das Staunen Facetten eines neuen Bewusstseins nahezubringen.

Die Ausstellung ist Mittwoch bis Freitag von 11 bis 17 Uhr sowie am Samstag und Sonntag von 13 bis 18 Uhr geöffnet. Ein Ausstellungsrundgang mit Galerieleiterin Judith Bader ist am 13. Dezember um 11 Uhr. Ein Künstlergespräch mit Tom Hegen ist zur Finissage am 7. Januar um 15 Uhr möglich.

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