Chiemsee – Der Organisator und Hauptakteur des seit Wochen ausverkauften Inselkonzerts im Bibliothekssaal des Augustiner Chorherrenstiftes, Nils Mönkemeyer, musste erneut sehr kurzfristig umorganisieren. Der für das finale Konzert auf der Herreninsel in diesem Jahr angekündigte Lautenist und Dozent für Alte Musik, Andreas Arend, sagte aufgrund von Corona ab.
Nils Mönkemeyer, seit 2011 Professor an der Hochschule für Musik und Theater in München, gelang es, zwei seiner besten Bratschen-Studenten auf die Herreninsel zu „locken“ und dem Publikum bei einem herzbewegenden Konzert vorzustellen.
Den größten Teil des Konzerts bestritt Nils Mönkemeyer selbst als Solist auf seiner Bratsche. Es begann mit Johann Sebastian Bachs Suite Nr. 1 G-Dur, BWV 1007, aus denen Mönkemeyer sieben Teile spielte, beginnend mit dem Prelude, einem echten Vorspiel in seiner spielerischen Beschränkung auf Dreiklangsbrechungen und Tonleiterfiguren, die sich am Ende im chromatischen Aufstieg bis zum gestrichenen hohen g steigern. Allemande und Courante leben vom Kontrast der Bewegungen. Die folgende Sarabande ist in ihrer Kürze, acht plus acht Takte, ein Musterbeispiel klassischer Ausgewogenheit. Die beiden Menuette sind schlicht einstimmig gehalten, knüpfen aber deutlich an das Motiv im Prelude an.
Eine knappe, aber kraftvoll rhythmisierte Gigue beschließt das Werk, das Mönkemeyer, durch und durch in die Musik versunken – stets ohne Noten – dem begeisterten Publikum präsentierte. Dann stellte er einen seiner jüngsten Meisterschüler vor, den gerade 20 Jahre alten Russen Denis Valishin. Sein Solostück war die „Pentatonic Etude“ des finnischen Komponisten und Dirigenten Esa Pekka Salonen, Jahrgang 1958, die Valishin mit großer technischer Brillanz und musikalischer Einfühlsamkeit den Zuhörern nahebrachte. Zusammen mit seinem Lehrer spielte er dann das mindestens 400 Jahre früher entstandene Stück „Les Pleures“ (die Tränen) des französischen Gambisten und Barockkomponisten Monsieur de Saninte-Colombe. Anschließend trat eine weitere Schülerin Mönkemeyers auf, die „schon“ 24 Jahre alte, aus China stammende Mingyue Yu, die bereits mehrere internationale Preise gewonnen hat. Bewundernswert spielte sie das Prélude und die Gigue aus Johann Sebastian Bachs Suite Nr. 2 d-Moll BWV 1008. Anschließend erklang Bela Bartoks „Gram- und Tanzlied“ aus Duos opus 44, das Mönkemeyer und Yu gemeinsam spielten.
Wieder eine Überraschung nach der Pause: „Assistiert“ von seinen beiden Schülern spielte Mönkemeyer das Stück „Evening at the Window“ der zeitgenössischen, griechischen Komponistin Konstantia Gourzi, das sie in 2022 für Viola und Bordun (langer, liegender Ton) geschrieben hatte. Mönkemeyer erklärte, die Komponistin habe ihm erzählt, dass der Bestseller „Das geheime Leben der Bäume“ und die darin beschriebenen, unter der Erde lebenden, alle miteinander vernetzten Pilzkulturen, sie zu dieser Komposition inspiriert hätten. Yu und Valishin, an weit auseinander stehenden Plätzen, spielten auf ihren Bratschen, den Bordun – keine ganz einfache Aufgabe – während Mönkemeyer die Singstimme spielte. Bachs Suite Nr. 3 C-Dur BWV 1009, gespielt von Nils Mönkemeyer, schloss den wunderbaren Nachmittag (fast) ab.
Denn danach spielten alle drei das so bekannte Abendlied „Der Mond ist aufgegangen“, in das alle Zuhörer – dank des auf dem Programmzettel abgedruckten Textes einfielen. Ein verzaubernd schöner Abschluss in der – draußen wie innen – wunderschönen historischen Umgebung.
Christiane Giesen