Heinz und Isabel sind zwei Germanistikstudenten, wobei der Heinz aus Rosenheim mit seiner Aussprache des Standarddeutschen die Herkunft seiner Eltern aus Friesland durchaus weder leugnen kann noch will. Auch Isabels Deutsch zeigt ihre besondere persönliche Herkunft an: Ihre Vorfahren waren und sind nämlich seit Jahrhunderten in der Gegend zwischen Sulzberg und Farrenpoint dahoam.
Der Arbeitsauftrag ihres Dozenten lautete, anhand geeigneter Beispiele die deutschen Vokale a, e, i, o, u für den Unterricht von Deutsch als Fremdsprache zu präsentieren.
Nach der festgelegten Zeit waren die beiden Experten allerdings beim Laut A stecken geblieben. Wie konnte es nur dazu kommen?
Der Heinz begann folgendermaßen: „Nehmen wir als Beispiel das Wort ‚Kamm‘. Der Laut a ist hier wie bei fast allen Wörtern, die ein a enthalten, hell zu sprechen, weil das die deutsche Standardaussprache des a ist.“ Die Isabel schüttelt den Kopf und antwortet mit einem feinen Lächeln: „Ah geh, da meint man ja, das sei das helle a wie in bairisch ‚Kampe‘, im Gegensatz zum ‚Kamm‘, den ich auf Hochdeutsch nicht mit hellem, sondern mit normalem a ausspreche.“
Der Heinz nimmt aber trotzdem weiterhin für sich in Anspruch, wonach das helle a allein die deutsche Hochsprache repräsentiere, während das etwas dunklere a nur für ein regionales Deutsch, und zwar für Süddeutschland, gelten könne und quasi dialektal sei.
„Ah geh! Die Sache verhält sich genau umgekehrt“, entgegnet die Isabel. „Das helle a haben wir im Hochdeutschen nur in Fremdwörtern, wie ‚faszinierend‘, ‚quasi‘, ‚Taxi‘ und dergleichen. Sonst sprechen wir kein helles, sondern ein normales a, siehe ‚Bahn‘, ‚Fahrt‘ und eben: ‚Kamm‘. Das Hochdeutsche hatte doch schon seit seiner Entstehung ab dem Jahre 750 ein normal artikuliertes a: das helle a ist nur als Sonderfall einer Umlautung durch nachfolgendes i entstanden. Das kann man nachweisen.“
Isabels Leidenschaft sind die bayerischen Ortsnamen und insbesondere deren historische Formen. Daher zeigt sie dem Heinz Ortsnamen, die mit einem A beginnen oder in der Mitte ein A haben und in der Folge ein -ing enthalten. Sie erklärt: „Abling wurde früher als
Aebling geschrieben, Acherting als Aeherting.
Auch bei anderen als mit a beginnenden Namen taucht ein e neben (oder sogar statt) dem a auf, so etwa bei Beyharting, das 1230
Pihaertinge lautete. In all diesen Fällen wurde und wird heute noch wegen des i-Umlauts ein sehr helles a gesprochen.
Aber andere A-Namen, die keine i-Umlautung erfahren haben, wie beispielsweise Thalham und Abersdorf, weisen in ihren historischen Schreibungen keine Veränderung des A-Lautes auf. Das heißt: Sie bekamen kein helles a und wurden und werden weiterhin mit normalem a gesprochen. Einverstanden, Heinz?“ „Naja“, meint Heinz, etwas überrascht, „dann lass uns mal den Eintrag im Duden ändern…!“armin höfer