Wasserburg – „Wo ist denn der funkelnde Schneemann vom Plakat?“ Die Gäste der Vernissage am Freitag suchen den glitzernden Sympathieträger des Winters natürlich gleich, keinen aus echtem Schnee, sondern den aus Spiegelscherben.
Katrin Meindl, die Erste Vorsitzende des AK 68, und ihre Helfer hatten viel Schnee vom Eingang des Ganserhauses weggeräumt für den Aufbau der Ausstellung. „Den hätten wir trotzdem nicht reinbekommen, erzählt Gregor Passens, „der war drei Meter hoch, den haben wir verbrannt.“ Wie bitte? Wie geht denn das? Mit einer Füllung aus Kaminholz in einer Kiesgrube. „Der erste Schneemann, der Wärme spendet“, grinst Torsten Mühlbach, der am Eröffnungsabend eine Mütze trägt, deren Farbe stark an eine Schneemannkarotte erinnert.
Ein Video in der Ausstellung zeugt von ihrer Aktion „Der brennende Schneemann“. Am Ende blieb von ihm ein Häufchen geschmolzenes Glas übrig, statt Schneematsch. Statt eines Schneemannes mit reflektierenden Spiegelsplittern haben die beiden Bildhauer für ihre Ausstellung in Wasserburg einen riesigen Kaktus gebaut. Dachlatten zusammengenagelt, mit Spiegelscherben beklebt und ihn grün angestrahlt: „Kaktus Wasserburg“, nennen die Künstler ihr Werk. Es erinnert an den grünen Raum mit der Discokugel im „Ultraschall“, dem legendären Technoclub im Münchner Kunstpark. Nach ihm haben sie ihre Ausstellung benannt. Und keine Sorge: Es sind Schneemänner im Ganserhaus zu entdecken: Große Schneemann-Kerzen aus recyceltem Wachs warten aufs Anzünden, Schneemänner als Blumenvasen, Schneemänner finden sich in Aquarellen. Schließlich ist er ein dankbares Motiv: Der Schneemann steht für unbeschwertes Kinderspiel im Winter, symbolisiert außerdem Vergänglichkeit. Auch die Bestandteile des klassischen Schneemannes haben es den beiden 49-Jährigen angetan. Gelbe Rüben, Kohlestückchen, Wassertropfen oder Schneebälle tanzen als glasierte Keramiken in Mobiles oder ragen einfach aus der Wand. Vorsicht, nichts für Schreckhafte: Wie von Geisterhand plustert sie raschelnd eine Riesenmöhre auf, nimmt den ganzen Raum ein. Alle Objekte haben Torsten Mühlbach und Gregor Passens gemeinsam gestaltet. Seit ihrer Studienzeit an der Münchner Akademie der Bildenden Künste verbindet sie auch eine Freundschaft zum Kollegen Alex Deubl. Seine Familie besitzt eine Glaserei. Von ihm erhalten sie Spiegelbruch und -zuschnitte für ihre verspiegelten Objekte, etwa auch für die Schneekristalle, die im Dachboden des Ganserhauses wirbeln. Und die Spiegelsplitter strahlen trotz ihres zarten Spiels mit Licht und Schatten auch etwas Kämpferisches aus. „Wie lange wird‘s noch Schnee geben?“, fragt Katrin Meindl nachdenklich, als sie die letzte Ausstellung des AK 68 in diesem Jahr eröffnet. Ja, wachsen irgendwann Kakteen in Wasserburg? Die verspielte Schau erfreut nicht nur das Kind im Erwachsenen, sondern reflektiert auch uns und den Klimawandel.