Rosenheim – „Und so war eigentlich die kleine Gebirgsreise schon geschlossen und eine Sehnsucht befriedigt, die schon lange nach den blauen Bergen gezogen hatte, von den Hügeln der Stadt aus.“ Dieses Zitat des Malers Franz Seidel – Sohn von August Seidel – wirkt wie eine Art roter Faden für die frisch eröffnete Winterausstellung in der Städtischen Galerie Rosenheim.
August Seidel in Mittelpunkt gerückt
Die Ausstellung präsentiert Werke der Landschaftsmalerei des 19. Jahrhunderts und rückt dabei den Maler August Seidel in den Mittelpunkt. Sowohl er als auch seine Weggefährten werden unter dem Begriff „Münchner Schule“ zusammengefasst. Es sind Maler aus dem Umfeld der Münchner Akademie der Bildenden Künste, die sich sonst auch anderen Genres wie Porträt- oder Historienmalerei gewidmet hatten, in einer Zeit wachsenden Kunstinteresses und dem Aufkommen privater Sammlerei.
Der Rosenheimer Oberlehrer und Kunstsammler Max Bram, Namensgeber des örtlichen „Max-Bram-Platzes“, wurde auf August Seidel aufmerksam. Er kaufte einige seiner Werke und vermachte 1904 seine Sammlung an die Stadt Rosenheim, sodass die Kommune eine besondere Beziehung zum Maler hat. Seidel hatte damals das Inntal und besonders Brannenburg bereist, kam aber auch an den Gardasee und nach Verona. Bis ins hohe Alter war Seidel als Maler aktiv, er bezog eine „Große Künstlerpension“ in Höhe von 1000 Mark jährlich vom bayerischen König.
„Naturwahrheit“ war in der Epoche eine unwidersprochene Forderung, was die Künstler zum Reisen und zu intensiven Studien der Natur zwang. Hier setzt ein hochinteressanter Aspekt der Ausstellung an, der es nicht allein um das Zeigen schöner Landschaftsbilder geht. Beim Rundgang kann man das damalige Kunstverständnis und den Entstehungsprozess einzelner Bilder plastisch verfolgen. Vor Ort fertigten Maler wie Friedrich Voltz detaillierte Skizzen an, beispielsweise von Vieh, von Bauernhäusern oder einer bestimmten Landschaft. Besonders deutlich wird dies bei der Reihe von Seidels Skizzen einer Murnauer Kapelle, die letztlich zum Gemälde werden. Manchmal entstanden daraus Aquarelle. Doch die eigentlichen Ölgemälde waren schließlich nicht mehr naturalistisch, sondern geprägt von individuellen, idealisierten Vorstellungen. Daher sind die Landschaftsgemälde der Münchner Schule im Ganzen nicht als realistische Abbilder zu verstehen, allenfalls einzelne Bildelemente. Die bloße Abbildung der Natur galt sogar als unkünstlerisch.
Nicht nur
für Nostalgiker
Die Bilder in der Ausstellung haben hohen Wiedererkennungswert für Naturfreunde oder alle, die sich für die bayerischen Alpen und insbesondere für das Inntal interessieren. Motive wie die Burgruine Falkenstein oder der „Weber an der Wand“ sind nicht nur etwas für Nostalgiker. Der mäandrierende Flusslauf des Inns und die Gipfel der Inntalberge, der Chiemsee, die Benediktenwand oder die Alpspitz sind mit beeindruckender Wirkung von Licht und Schatten facettenreich gemalt, manchmal mit belebter Natur in Form von Landwirtschaft. Es ist eine regionale Ausstellung, die auch einen Blick auf das „Drumherum“ des Kunstbetriebs und die Entstehung von Kunstwerken gestattet. Zu sehen bis 24. Mai 2024.