Prien – Jeder ambitionierte Oratorienchor freut sich, Bachs Weihnachtsoratorium singen zu dürfen. Auch der Capella Vocale Prien unter der Leitung von Bartholomäus Prankl war bei der Aufführung der ersten drei Kantaten in der Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt diese Freude anzuhören. Prankl sorgte mit großbogigen Gesten für Dauerschwung, aber auch Intensität in den intimeren Oratorienteilen. Der Chor zeigte sich sehr gut einstudiert, war firm in allen Sparten: Die klar getrennten Stimmgruppen verbanden sich zu harmonischer Blockhaftigkeit, der Sopran war mädchenhaft schlank (könnte noch ein paar stimmliche Glanzlichter brauchen), der Tenor erfreulicherweise stimmstark und vielzahlig und der Alt, der sonst in den meisten Chören immer im Hintergrund bleibt, war wohlig-stimmkräftig.
Prankl sorgte für tänzerischen Schwung schon im jauchzenden Eingangschor, indem er im Dreiertakt deutlich die Eins betonte, feuerte im Engel-Chor („Ehre sei Gott“) die Sänger und Sängerinnen zu immer neuen energischen Fugeneinsätzen an und lockte im Chor der 3. Kantate („Herrscher des Himmels“) aus dem Chor „der Herzen frohlockendes Preisen“ kraftvoll heraus. Die Choräle waren auf die jeweiligen Texte abgestimmt: freudiges Forte („Brich an, o schönes Morgenlicht“), Gemeindegesang („Schaut hin!“) oder Innigkeit („Ach, mein herzliebes Jesulein“), davon vielleicht etwas zu wenig, dafür deutlich fragend im Choral „Wie soll ich dich empfangen?“
Der Sopran hat in diesen ersten drei Kantaten wenig zu singen: Als Engel sang silbrig strahlend Jenavieve Moore-Steiner, die sonst oft mit dem Chor mitsang. Ihre Stimme ist in den letzten Jahren etwas dramatischer geworden. Das verband sich gut mit dem Bass von Thomas Schütz im Duett, der immer wieder in seinen Rezitativen einzelne Worte dramatisierend unterstrich. Im Programmheft schreibt Prankl richtig, dass neben dem Evangelisten der Alt die wichtigste Stimme sei, weil er Maria und damit die Kirche selber verkörpere. Diese theologische Bedeutung konnte Katharina
Guglhör mit ihrem gut geführten Alt nicht ganz erfüllen: Erstens wirkte es so, als ob sie den Vollklang der Stimme nicht ganz nach vorne bringen konnte, zweitens ging sie ihre Arien mehr intellektuell als mütterlich-zärtlich an.
So hatte programmgemäß der Evangelist die Hauptrolle – und der junge Eric Price, ein in Rom geborener italienisch-amerikanischer Tenor mit perfekter Aussprache, nahm diese Hauptrolle souverän ein. Sein ungemein klarer und kraftvoller Tenor ließ nie Zweifel an Höhen zu, seelenvoll und textbewusst-intelligent zugleich führte er seine Stimme, die wahrlich von „Klarheit umleuchtet“ war, wie es in einem Rezitativ heißt. In der Hirten-Arie mit den gefürchteten schnellen Koloraturen malte sich die Freude, von der er sang, in seinem Gesicht ab und befeuerte gleichzeitig diese Koloraturen. Ihn möchte man gerne öfter und auch in anderen Oratorien hören.
Ein Glücksgriff besonderer Art war das Orchester: Johannes Berger hat das Barockensemble Concerto München 2016 gegründet und saß selber an der Orgel. Das Orchester besteht aus jungen Musikern, die sicht- und hörbar brennen für das, was sie so zartglänzend und prachtvoll zugleich spielen, und die sich so blind vertrauen, dass der Konzertmeister gar nicht viel „machen“ muss. Die drei engmensurierten Barockposaunen verbreiten von Anfang an mit quirligen Trillern und später mit wohligem Schmettern glanzvolle Weihnachtsstimmung, selbst die Pauken betonten den tänzelnden Dreiertakt und gefielen mit Echowirkungen, wunderbar tonschön tönten die Oboen, delikat sanft die Blockflöten in der Hirten-Arie und geradezu beredt klang die Solo-Violine des Konzertmeisters in der Alt-Arie „Schließe, mein Herze“.
Da setzte sich Bartholomäus Prankl daneben und ließ ihn einfach spielen. Einfach spielen und singen – natürlich nach genauester Vorbereitung – mit moderaten Tempi und natürlichem Fluss war des Dirigenten Devise und führte zum ausführlich beklatschten Erfolg. RAINER W. JANKA