Rosenheim – Was wir im OVB am Dreikönigs-Wochenende lesen konnten, hat mich sehr gefreut: Ganzseitig wurde am Beispiel des Musiktherapeuten und Diplom-Psychologen Hanns-Günter Wolf unter dem Titel „Warum singen so gut tut“ über Erkenntnisse der Wissenschaft berichtet – Erkenntnisse, die wir als Praktiker schon seit Jahrzehnten bei unseren Angeboten zum „Natürlich selber Singen“ wahrnehmen:
Nach eigener Aussage wurde Wolf früher wie viele andere vom selber Singen abgehalten durch Abqualifizierung und Leistungserwartung: „Mir wurde als Kind immer wieder gesagt, dass ich kein Sänger sei, also habe ich auch nicht gesungen.“ Dieses Vorurteil hat auch zum „Verstummen“ vieler anderer geführt.
Eine ganze Generation ab den 1960er-Jahren wurde damit vom eigenen Singen entfernt, in Kindergarten und Schule, in Vereinen und in der Öffentlichkeit. Diese Fehleinschätzung reichte bis in die Privatsphäre, bildete Unwohlsein im Zwischenmenschlichen – und geistert bis heute durch die deutsche Gesellschaft.
Dabei ließen sich die Entscheider in der Schulpolitik auch noch vom Missbrauch des Singens im Nationalsozialismus beeinflussen: Das Fach Singen und die damit verbundene Repertoirebildung für gemeinsames Singen wurde vom eher wissensorientierten und wenig eigenpraktischen Fach „Musik“ abgelöst. In der Ausbildung für ein Lehramt ist „Singen“ heute nur mehr eine kleine Nische. In vielen anderen Ländern gehört das selber Singen in Schule und im Leben ganz selbstverständlich zur eigenen Kultur, ohne Anspruch auf Perfektion!
Im OVB-Artikel wurden auch die aktuellen Erkenntnisse der Wissenschaft und Forschung benannt:
• Singen ist gut für den Kreislauf und wirkt wie leichter Sport.
• Singen unterstützt das vegetative Nervensystem.
• Singen fördert die Bildung von Immunglobin A und stärkt dadurch die Abwehrkräfte.
• Singen macht glücklich: Beim Singen werden körpereigene Glückshormone Endorphine, Serotonin und Dopamin ausgeschüttet. Zeitgleich werden Stresshormone wie Cortisol und Adrenalin abgebaut.
• Singen in der Gruppe macht noch glücklicher: Nach 30 Minuten singen in der Gruppe produziert das Gehirn Oxitocin, das sogenannte Kuschel- oder Bindungshormon. (…)
• Singen schenkt gesunden Schlaf: Beim Singen wird die Zirbeldrüse stimuliert und Melatonin ausgeschüttet. Melatonin bewirkt besseren Schlaf.
All das trifft nach meiner über 30-jährigen praktischen Erfahrung als an fast allen Örtlichkeiten zwischen Kirche und Wirtshaus, unter freiem Himmel oder im privaten Umfeld aktiver „Sing-Anstifter“ besonders auch für das nicht nach Perfektion strebende „Natürlich selber Singen“ zu, ohne Leistungsdruck, zur eigenen Freude, in offener und ungezwungener Gemeinschaft. Nach 15 bis 30 Minuten gemeinsamem, ganz ungezwungenem Singen ist die Freude und die Entspannung in den Gesichtern sichtbar und in der Gemeinschaft spürbar. Dazu kommt ein wichtiges Gefühl der Toleranz gegenüber den Mitsängern und vor allem auch gegenüber sich selbst.
Die Offenheit gegenüber der Vielfalt der bekannten oder unbekannten Lieder, Melodien und Inhalte ist Ausdruck der lebendigen Pluralität, besonders in einer Demokratie – und gibt dem aktiv ins Leben integrierten Volksliedern eine ganz neue und wichtige Bedeutung. Diese Freiheit als Erfahrung des Menschseins verbunden mit den positiven Aspekten für Gesundheit und soziales Miteinander ist für unsere Gesellschaft und die Menschen jeden Alters ein sehr wichtiges Element.
Auch aus diesen Gründen laden die Kreisvolksmusikpflege Rosenheim und der „Förderverein Volksmusik Oberbayern“ übers Jahr verteilt zu ganz vielen für alle Menschen offenen Singgelegenheiten ein. In der nächsten Zeit kann man seine eigenen natürlichen Singerfahrungen machen.
• Am kommenden Sonntag, 14. Januar, ab 14 Uhr bei der öffentlichen Jahresversammlung vom „Förderverein Volksmusik Oberbayern“ im Bürgersaal in Bruckmühl, Kirchdorfer Straße 10. Da gibt es neben Informationen auch mindestens 30 Minuten „Selber-Singen“!
• Am Montag, 22. Januar, um 19 Uhr kann man ins Gemeinschaftshaus Oberholzham zu den „Montagsingern“ kommen, einer offenen und ungezwungenen Zusammenkunft mit deutschen und bayerischen Volksliedern.
Auch die OVB-Aktion „Weihnachtslieder selber Singen“ hat im Advent wieder viele Menschen zum Singen bewegt – ebenso die Nikolauslieder für kleine und große Sänger am 5. Dezember 2023 in der Rosenheimer Fußgängerzone.
Viele weitere Termine und Orte zum selber Singen findet man in der „Volksmusik-Zeitung“, die man kostenlos beziehen kann über die Volksmusikpflege Rosenheim und den Förderverein Volksmusik Oberbayern, Pfarrweg 11 in 83052 Bruckmühl, Telefon 08062/ 8078307, E-Mail: ernst. schusser@heimatpfleger.bayern. Machen Sie sich selber eine Freude – auch wenn Sie glauben, dass Sie nicht singen können! ernst schusser