Die Zitronen blüh’n und tanzen in Gelb

von Redaktion

Kendlingers K&K Philharmoniker begeistern mit Strauß-Walzern und -Polkas

Rosenheim – Das muss einer Matthias Georg Kendlinger, dem Musikveranstalter, Orchestergründer, Dirigenten und auch Komponisten vom Walchsee, erstmal einer nachmachen: 1,4 Millionen Zuschauer haben bis jetzt die Aufführungen seiner „Johann-Strauß-Konzert-Gala“-Tourneen besucht, die seit 1996 die großen europäischen Konzertsäle füllen. Was das weltberühmte Wiener Neujahrskonzert an einem Tag im Jahr bringt, bringt Kendlinger an vielen Tagen im Jahr. Er schafft gleichsam das Wiener Neujahrskonzert in Dauerschleife, und das mit einem Orchester, einem Ballett und auch mal einem Chor, die immerhin aus einem Kronland der alten k.-und-k.-Monarchie stammen: nämlich aus dem ukrainischen Lemberg, das immerhin ein Opernhaus besitzt, das ausschaut wie die Wiener Staatsoper in klein.

Hingebungsvolle
Musiker

Nun könnte man meinen, dass, wenn man seit Monaten mit demselben Programm reist, sich Routine einschleicht. Weit gefehlt: Beim Konzert im gut verkauften Kultur- und Kongress-Zentrum agierten die Musikerinnen und Musiker so frisch-animiert und mit so guter Laune, als wäre dies das Eröffnungskonzert. Selbst die Geigerin am letzten Pult spielte die Begleitfiguren der Walzer hingebungs- und liebevoll.

Einen großen Anteil daran hat der Dirigent Taras Lenko, der sich auf der Tournee mit Matthias Georg Kendlinger, dessen Sohn Max und Ihor Muravyov, der ansonsten Erster Konzertmeister ist, das Dirigat teilt. Lenko kann die K&K-Philharmoniker mit elektrisierenden Fingerspitzen lenken, manchmal zucken selber seine Beine im Marschrhythmus. Das Wiener Neujahrskonzert mag feinsinniger gewesen sein – Kendlingers Neujahrskonzert war musikantischer, tanzlustiger, mitreißender.

Die einleitende „Fledermaus“-Ouvertüre ist immer ein Orchester-Prüfstein. Die Prüfung wurde glänzend bestanden: Rhythmisch pfeffrige Perfektion samt Verzögerung und Beschleunigung, ein immer vorwärtsdrängender Grundduktus, samtige Streicher, ein weichklingende Blechbläser, eine schwärmerische Oboe und dann ein rauschhaft drehender Walzer – alles war da.

Schön war, dass auch der Symphoniker Johann Strauß vorgestellt wurde mit der Sinfonischen Dichtung „Traumbild“: Die fein spielenden Holzbläser beginnen im langsamen Walzertakt, dann wird’s klangsatt-schwelgerisch, die Blechbläser blasen einen Choral wie bei Bruckner, das Orchester wird erhitzt wie bei Richard Wagner, Melodik wie bei Dvorák blüht auf – kein Wunder, dass Brahms fast neidisch war auf seinen Freund Strauß.

Die Schnell-Polkas und Galopps waren so flott-rasant, dass man sich erklären konnte, wie die Wiener Madln seinerzeit sich in ein wahres Delirium tanzten. Und der Humor kam nicht zu kurz: Die Trillerpfeife pfiff bei „Bahn frei!“ von Eduard Strauß und die Spieler seufzten ermattet beim „Seufzer-Galopp“ von Johann Strauß Vater, und in der „Liebes-Botschaft“ von Johann Strauß Sohn schien Amor im ICE zu reisen.

Die Märsche marschierten nicht preußisch-stiefelknallend, sondern österreichisch-tanzend: „Österreichische Märsche haben etwas vom ‚Fasching des Todes‘ an sich“, stellt dazu der Strauß-Biograf Heinrich Eduard Jacob fest. Der Marsch „Unter dem Grillenbanner“ nach Strauß-Motiven kam mit krachend-federndem Rhythmus, woran auch die weibliche Zwei- Drittel-Fraktion des Schlagwerks ihren zündenden Anteil hatte.

Und den bekannten „Egyptischen Marsch“ legte Taras Lenko fast symphonisch an: Es beginnt geheimnisvoll orientalisch, dann glitzert das Glockenspiel, dann tanzt der Marsch, die Männer singen im Trio inbrünstig eine orientalische Weise und alles endet mit einem leisen Beckenton.

Doch alle warteten auf die Walzer: In „Wo die Zitronen blüh’n“ zauberten die Streicher gleich anfangs mit süßem Klang sonnige Atmosphäre, „Freut euch des Lebens“ rief die pfiffige Piccoloflöte den Zuhörern zu und der „Kaiserwalzer“ kam grazil, majestätisch, nobel und symphonisch überwältigend.

Balletteinlagen erzählen Geschichten

Noch überwältigender waren die Balletteinlagen nach der einfallsreichen Choreografie von Marianna Stankevych. Passgenau waren die Kostüme: Blümchenrosa bei „Freut euch des Lebens“, zitronengelb bei „Wo die Zitronen blüh’n“, lindgrün in der Polka „Die Libelle“ und kaiserlich mit Diadem bei den Frauen und Frack samt rotweiß-roter Schärpe bei den Männern beim „Kaiserwalzer“. Immer wurde eine ganze Geschichte erzählt, anmutig waren die Spitzentänze, mühelos die Hebefiguren.

Drei Zugaben erklatschten sich die Zuhörer: punktgenau und vergnügt krachend die Polka „Unter Donner und Blitz“, zauberhaft der „Donauwalzer“ und fast zum Mitmarschieren verführend der „Radetzkymarsch“ mit rhythmischem Zuhörerklatschen. Das wahre Neujahrskonzert kommt aus Lemberg – das uns hoffentlich unzerstört erhalten bleibt.

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