Prien – Wolfgang Tolk (geboren 1951) ist ein vielseitiger Künstler. Man muss es so sagen, ist er doch ausgebildeter Journalist, hat Kunstgeschichte, Philosophie und Theologie studiert, später noch an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig und an der Kunstakademie Düsseldorf. Einige seiner Designobjekte gelten als Designklassiker: So ist beispielsweise seine Halogen-Lampe „Minimum,“ inspiriert durch eine Kooperation mit Ingo Maurer, der Sammlung des Museums für Angewandte Kunst in Köln angegliedert und sein Regal „Load It“ für Porro in die Sammlung des Design Museums Chicago aufgenommen worden. Weltweit hat er seine Malereien ausgestellt und nun hat er auch noch ein Buch geschrieben. Im Gespräch mit den OVB-Heimatzeitungen erzählt der Künstler, der inzwischen in Prien seinen Lebensmittelpunkt gefunden hat, über sich, seine Arbeit und warum er sich aus München in den Chiemgau verabschiedet hat.
Sie haben Volontariat und mehrere Studienfächer erfolgreich abgeschlossen. Manche Menschen würden sich mit einer Ausbildung begnügen. Sie hingegen sind in mehreren Sparten unterwegs und waren darin auch jeweils erfolgreich. Woher kommt Ihr Interesse und Ihr Bewegungsdrang?
Schon als Kind habe ich gern und viel gelesen, gemalt und geschrieben. Meinen ersten Aphorismus habe ich angeblich schon mit sechs Jahren geschrieben. Haikus mache ich heute noch. Am Zeichnen hatte ich auch schon immer viel Freude. Ich erinnere mich noch, wie ich mir – völlig abgebrannt – nach meinem ersten Studium mit Porträtmalerei am Strand in Cannes das Geld für meine Heimreise verdient habe. Dass ich nach dem Studium der Malerei zum Designer wurde, hat sich eher zufällig ergeben. Ich hatte auch einmal ein Angebot für eine Design-Professur, dann wäre mein Leben etwas anders verlaufen. Ich hatte – und das darf ich doch so sagen – immer sehr viel Glück in meinem Leben.
Sie werden heuer 73. Andere Menschen ziehen sich da auf ihr wohlverdientes Altenteil zurück, Sie hingegen haben neben all Ihrer künstlerischen Arbeit nun auch noch einen Roman geschrieben.
Ein Künstler kennt nun mal keinen Ruhestand (lacht). Ich bin immer noch neugierig. Dass das Buch zustande kam, ist persönlichen Umständen geschuldet. Ich bin schon lange mit meiner zweiten Frau glücklich verheiratet, aber irgendwann habe ich gemerkt, dass ich den Trennungsschmerz meiner vorherigen Beziehung (Aus seiner ersten Ehe hat er zwei inzwischen erwachsene Kinder, Anm. der Redaktion) noch verarbeiten muss. Ich war allein in unserem Haus in Trikorfo, in Griechenland, und habe das Schreiben als Gesundungsprozess genutzt. Das Buch ist Stück für Stück zu einem Werk zusammengewachsen. Das war ein Prozess. Die Figuren bekamen ein Eigenleben, und ich war der Dirigent. Mein zweites Buchmanuskript „Mandili“ ist auch schon fast fertig. Gerne kann sich ein interessierter Verlag bei mir melden.
Der Titel „Fisch mit Heraklit“ deutet schon an, dass das Buch mehr ist als ein Unterhaltungsroman. Man spürt, wie wichtig Ihnen das alte und das neue Griechenland ist. Wohl nicht zufällig lassen Sie den Protagonisten Leo Ernst mit Heraklit am Acheron, einem der Flüsse der Unterwelt, bei einem Periptero, der urgriechischen Version eines kleinen Kiosk-Geschäfts, zusammentreffen.
Geisteswissenschaften sind für mich eine Quelle der Inspiration. Das Wissen um Kunst, Philosophie und Mythologie kann, wie ich finde, im Alltag sehr behilflich sein. Ich würde mich sehr freuen, wenn ich mit meinem Buch meiner Leserschaft auch den einen oder anderen hilfreichen Impuls geben könnte. Vielleicht war es auch Neugierde, was das Leben noch so zu bieten hat.
Also halten Sie es mit Heraklit, von dem der Spruch stammt: „Alles fließt“ (panta rhei). Ihr Roman hat starke autobiografische Züge. Es geht um Illusion und Wahrheit, und im Kapitel „Eröffnungsvortrag“ sinnieren Sie über Design, über Funktion, Form und Maß. Ist das nicht ein bisschen viel Stoff für ein Buch?
Nein, das würde ich so nicht sagen. Picasso hat einmal gesagt: Kunst wäscht den Staub des Alltags von der Seele. Sehen Sie, Bücher sind vergleichbar mit der Kunst. Wenn ich ein Bild betrachte, dann frage ich mich doch auch, berührt mich das Bild? Spricht es zu mir? Mein Buch soll ansprechen. Die Mythologie schafft da gewissermaßen die Brücke. Gleichzeitig will ich auch zeigen, wie wichtig es ist, achtsam mit sich selbst und miteinander umzugehen und seine Umgebung wahrzunehmen.
Apropos Umgebung: Sie hatten ein großes Atelier in Köln und jetzt ein kleines hier in Antwort bei Bad Endorf, sind nun sogar von München nach Prien gezogen. Was gab den Ausschlag?
Auch das war gewissermaßen ein Moment im Sinne des „panta rhei“. Es ist wie ein ewiger Wandel, Einheit in der Vielheit und Vielheit in der Einheit. Köln war und ist als Kunststadt nach wie vor sehr wichtig, aber das sind andere Städte inzwischen auch. Was uns hier gefällt, ist das besondere Licht, fast wie in Venedig, die Natur, die Ruhe – das findet man nicht in der Großstadt.
Interview: Elisabeth Kirchner