Hassliebe auf vier Saiten

von Redaktion

Umjubelte Premiere von Patrick Süskinds „Der Kontrabass“ am Theater Wasserburg

Wasserburg – Anfangs nur wenig beachtet, zählt „Der Kontrabass“ von Patrick Süskind heute zu den meist gespielten Stücken auf deutschen Bühnen. Jetzt sorgte der geniale Einakter-Monolog auch am Theater Wasserburg für einen Sturm der Begeisterung.

„Hören Sie das, das bin ich! Ein Orchester kann auf den Dirigenten verzichten, aber nicht auf den Kontrabass.“ Mit dem Stück „Der Kontrabass“ taucht der publikumsscheue Erfolgsautor Süskind in das Seelenleben eines verbeamteten Orchestermusikers ein, eines Musikers von Mittelmaß, der sich selbst als verkanntes Genie empfindet. Tatsächlich aber ist der Protagonist der Handlung nur einer von acht Kontrabassisten im Staatsorchester, also vorletzte Reihe im Orchestergraben, und damit quasi ein Hinterbänkler. „Als Kontrabass sind Sie in jeder Hinsicht der letzte Dreck, selbst die Pauke, die eigentlich gar kein Instrument ist, steht über Ihnen“, so die bittere Erkenntnis des Berufsmusikers.

Ein Leben
voller Abschirmung

Er lebt in einer schallisolierten Behausung, die einen sofort an einen Prepper denken lässt: unzählige Rollen Klopapier, Batterien von Dosenbier und Konserven, also alles, was man braucht, um auf jede Art von Katastrophe vorbereitet zu sein. Auch sein Leben verläuft abgeschirmt, insbesondere wenn es um Beziehungen geht. So wie in seiner Karriere steht er sich auch in der Liebe beharrlich selbst im Weg. Sein einziger Freund ist sein Kontrabass, der im Lauf der Handlung immer mehr zum Feindbild wird.

Susan Hecker inszenierte dieses grandiose Psychogramm eines frustrierten und missmutig gereizten Musikers und der Hassliebe zu seinem Streichinstrument mit den vier Saiten. Der Kontrabassist fühlte sich zu Höherem berufen. Doch statt der Komfortzone des Beamtendaseins zu entfliehen, blieb er lieber Gefangener seiner Zwänge und Neurosen.

Anfangs war der Musiker noch gut gelaunt und unsterblich in die 23-jährige Mezzo-Sopranistin Sarah im Ensemble verliebt. Nur wusste die Sängerin bislang nicht einmal, dass es ihn gibt. Mit jeder Dose Bier – „das brauche ich nur wegen dem Feuchtigkeitsverlust“ – litt die Stimmung immer mehr. Es folgte der totale psychische Zusammenbruch mit Hasstiraden auf das vorher noch so hoch gelobte Instrument. „Können Sie mir sagen, wieso ein Mann Mitte vierzig, nämlich ich, mit einem Instrument zusammenlebt, das ihn menschlich, gesellschaftlich, verkehrstechnisch, sexuell und musikalisch nur behindert?“

Susan Hecker gewährte sehr intime Einblicke in das Leben des von Frust geplagten Kontrabassisten. Mit Hilmar Henjes hatte die Regisseurin die geniale Besetzung in diesem amüsant-bizarren Seelenstrip gefunden. Der Darsteller kraxelte in luftiger Höhe zwischen Fahrrad-Ergometer, Bett, Dusche und Toilette hin und her. Aufwärts ging es über eine Leiter, abwärts über eine Rutschstange wie bei der Feuerwehr. Das sorgte für so manche Schrecksekunde. Aber Henjes fand sich im vertikalen Bühnenbild, das von ihm selbst stammte, mit „schlafwandlerischer Sicherheit“ perfekt zurecht.

Eine Liebe laut
hinausschreien

Schließlich gewann der biedere Beamte im Bassisten die Oberhand zurück. Aus ihm wurde wieder ein ordentliches Orchestermitglied. Allein die kämpferische Pose blieb vorerst, die Liebe zu Sarah im Konzertsaal öffentlich zu machen. Vor den Augen des anwesenden Ministerpräsidenten wollte er die Liebe zu Sarah laut herausschreien: „Ich geh jetzt in die Oper und schrei – wenn ich mich trau. Sie können es ja morgen in der Zeitung lesen.“ Aber der Kontrabassist wusste, dass das nie geschehen werde, war ihm doch sein monotones Leben Qual und Lust zugleich.

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