Der Dreiklang der Sonntagsmatineen

von Redaktion

Interview Tonkünstlerverbandsvorsitzende Alice Guinet über ein besonderes Jubiläum

Rosenheim – Die Flötistin Alice Guinet amtiert seit Jahren als Vorsitzende des Tonkünstlerverbands Südost-Bayern. In dieser Funktion ist sie immer wieder offen für Neues, legt aber auch Wert auf Kontinuität und versucht, den Bedürfnissen der Mitglieder gerecht zu werden. Eine Innovation, die Matineen im Hans-Fischer-Saal des Künstlerhofes am Ludwigsplatz, hat im Lauf von zehn Jahren nicht nur viele Zuhörer angezogen, sondern auch den Mitgliedern des Verbands die Möglichkeit zu öffentlichen Auftritten gegeben.

Liebe Alice Guinet, zehn Jahre sind eine lange Zeit. Wie ist die Idee entstanden, diese Veranstaltungsform auf die Beine zu stellen?

Die Vorgeschichte ist eigentlich ganz drollig: Die Konzertreihe „Abendmusik in der Heilig-Geist-Kirche“ war gerade abgeschlossen: Der Orgelbauverein St. Nikolaus hatte sich aufgelöst, es hätte ein neuer Trägerverein gefunden werden müssen. Zufällig kam ich bei der Kulturförderpreisverleihung an Valentin Preissler ins Gespräch mit dem damaligen Kulturreferenten Robert Berberich und dem Sänger Thomas Hamberger. Das Gespräch drehte sich um Möglichkeiten, auch künftig Kammermusik anbieten zu können. Thomas Hamberger begeisterte sich für das Format einer Matinee. Noch an diesem Abend hat sich diese Option konkretisiert und so ging es nahtlos von der „Abendmusik“ zur Matinee über.

Ein Projekt wie dieses muss auf festen Füßen stehen. Nur auf Deckung der Kosten durch Eintrittsgelder zu hoffen wäre unrealistisch. Welche Säulen stützen die Finanzlage der Matineen?

Die Anne-Oswald-Stiftung hatte schon die Abendmusik unterstützt und ich denke, dass ich Vertrauen in meine Arbeit aufbauen konnte. Aber ich war nun keine Einzelkämpferin mehr, denn hinter mir stand der Tonkünstlerverband. Die Lasten der Organisation konnten aufgeteilt werden und die Finanzierung war kalkulierbar und gesichert.

Wer betreut die Matineen organisatorisch?

Eigentlich noch etwas müde von den „Abendmusiken“ habe ich die Matineen in den ersten Jahren aufgebaut, damit keine Lücke entsteht. Dann hat die Pianistin Eva Krikkay die Organisation der Konzerte übernommen. Eva hat in den sechs folgenden Jahren das Format der Matineen weiter ausgebaut, engagiert und mit einem tollen Sinn für attraktive Programme. Mit dem Flügel im Hans-Fischer-Saal war natürlich auch eine Vielzahl unterschiedlicher Besetzungen möglich. Eva Krikkay hat da wirklich ausgezeichnete Arbeit geleistet. Als sie vor zwei Jahren aus eigenem Wunsch ihre Arbeit beenden wollte, bin ich nun wieder eingestiegen.

Wer darf auftreten? Für Musiker ist das doch eine sehr attraktive Möglichkeit sich ins Rampenlicht zu stellen!

Es klingt etwas ausschließend, aber es müssen professionelle konzertierende Mitglieder des Tonkünstlerverbands sein, die gerne ihre Kammermusikpartner von auswärts mitbringen können. Die Öffentlichkeit weiß wahrscheinlich gar nicht, dass viele freischaffend Konzertierende – und viele Unterrichtende übrigens auch – in der Region im Tonkünstlerverband organisiert sind. Wir sind ein Berufsverband, haben also nur qualifizierte Mitglieder, sind gleichzeitig aber regional und gemeinnützig.

Jede Firma festigt ihr Image mit einer Firmenphilosophie. Welche programmatisch intendierten Vorstellungen prägen diese Konzertreihe?

Selbstverständlich bringt jeder Musiker, jedes Ensemble seine „Steckenpferde“ mit. Das wirkt befruchtend und so entstehen auch besondere Programme. Ich habe den „Dreiklang“ einmal so formuliert: Den Sonntag mit Musik beginnen – entspannt, aufnahmebereit, neugierig. Dann: Eine gute Stunde in Gesellschaft eines musikalischen Themas, das eingeführt und moderiert wird. Und: Gesprächsstoff nach dem Konzert!

„Silbersee“ ist ein schnödes Wort für die Tatsache, dass vorwiegend ältere Menschen den Weg in ein klassisches Konzert finden. Wie sind die Erfahrungen aus den Matineen?

Das Interesse für sogenannte Klassische Musik entwickelt sich oft erst im Lauf der Jahre – ähnlich wie beim Wein! Wir bieten für Kinder spezielle „Familienkonzerte“ an, aber Musikvermittlung sollte es auch für Menschen ab 40, 50 und mehr Jahren geben – da nimmt das Interesse zu. Die Gründe? Wahrscheinlich mehr Zeit, auch mehr Geld – wobei wir auf bezahlbaren Eintritt achten. Wir wollen ein neues, nicht vordringlich junges Publikum einführen in die Welt der Klassik, für die viele bisher zu wenig Gelegenheit hatten. Da sind einstündige, bezahlbare und moderierte Konzerte kein großes „Risiko“, es auszuprobieren!

Welche Möglichkeiten gibt es, um sich genauer über Programm und Termine der Matineen zu informieren?

Informationen gibt es über unsere Website www.tkv-sob.de/Veranstaltungen. Unsere Flyer liegen aus an verschiedenen öffentlichen Orten, der Online-Kulturkalender ist ein zuverlässiger Informant sowie die Presse.

Was bietet die neue Saison dem Publikum?

Wie ich schon sagte, die Musiker bringen ihre Steckenpferde mit. Am Sonntag, 18. Februar, um 11 Uhr beginnen die Sopranistin Sieglinde Zehetbauer und der Bass Andi Hörl mit Ensemble eine „magische Reise“ durch die Höhepunkte aus Oper und Musical. Am Sonntag, 10. März, führt uns das Musikerpaar Katharina Schmidt (Cello) und Thomas Schuch (Klavier) Musik von Sergei Prokofieff vor unter dem Motto „Love Stories against war“. Am 21. April bin ich selbst mit dem Turmalin-Quartett beteiligt: „Symphonisches für den Salon“. Mozart, Beethoven, Brahms – große Werke, reizvoll bearbeitet für kleine Besetzung.

Wie sieht die mögliche Zukunft aus? Welche Hoffnungen oder Befürchtungen gibt es, oder kurz: Welche Perspektiven tun sich auf?

Wir bemerken einen Nachwuchsmangel: weniger Instrumentallehrer, zu wenig Musiklehrer an den Schulen und auch in regionalen Projekten tut man sich schwer, genügend gute Musiker zu finden. Musik als Beruf erscheint heute wenig lohnend. Wir versuchen, wenigstens im Rahmen unserer Möglichkeiten, gute Musiker auf die Bühne zu holen und Auftrittsmöglichkeiten zu schaffen, die auch fair bezahlt werden. Es wäre schlimm, wenn wir eines Tages in dieser kulturell reichen Region die professionellen Musiker „einfliegen“ müssten – weil wir hier keine mehr haben. Das ist bei vielen Veranstaltern schon Realität.

Interview: Walther Prokop

„Einemagische Reise“

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