„Ich fühle, wie ich dich verliere“

von Redaktion

Briefe von Ingeborg Bachmann und Max Frisch bei der Goethe-Gesellschaft

Rosenheim – Der unter dem Titel „Wir haben es nicht gut gemacht“ veröffentlichte Briefwechsel zwischen Ingeborg Bachmann und Max Frisch ist nicht nur literarisch bedeutsam, sondern berührt beim Lesen auch mit schonungslosen Beschreibungen von Liebesglück und Liebesleid. Zudem beweist er, dass Menschen, die offen und direkt über Gefühle schreiben können, ihnen dennoch hilflos ausgeliefert sind.

Der Sprechtrainer und Rezitator Martin Pfisterer hat in einer guten Stunde den aufwühlenden Gefühlskosmos von Bachmann und Frisch fesselnd zu Gehör gebracht.

Pfisterer las auf Einladung der Goethe-Gesellschaft Rosenheim im Künstlerhof am Ludwigsplatz vor zahlreichen Zuhörern im Wechsel ausgewählte Briefe der Liebenden.

Die beiden Schriftsteller hatten sich aus der Distanz schon länger gegenseitig bewundert. Bachmanns Liebe war drängend, schon bei der ersten Begegnung in Paris am 3. Juli 1958, kurz nachdem sie sich von Paul Celan getrennt hatte.

Drei Tage später zeigt sich Frisch im ersten Brief beglückt, aber auch irritiert über die Intensität und Absolutheit ihrer Liebe. Im Juli 1958 schreibt Frisch an Bachmann: „Du trittst in mein Leben, Ingeborg, wie ein langgefürchteter Engel, der da fragt Ja oder Nein. Und ich bin glücklich und ratlos und zu feig, um über die Stunde hinaus zu denken.“ Er gesteht ihr aber auch: „Ich bin nicht verliebt, aber erfüllt“.

Bachmann leidet unter dem Trennungsschmerz, antwortet Frisch aus Neapel poetisch: „Die Fahrt war so lang, aber sie hätte noch länger sein müssen, dann hätte ich ganz begriffen, wie weit ich weg muss von Dir. Mein Liebster, das ist furchtbar.“ Bereits am Anfang ihrer vierjährigen Beziehung stellt Frisch fest: „Ich fühle, wie ich dich verliere“.

Bald beginnt das Ringen der beiden um Autonomie und Anerkennung, um Schreiben und Schweigen. Die Verletzungen in ihrer Beziehung sitzen tief. Gleichwohl erkennt Frisch den hohen literarischen Rang von Bachmann an: „Ich möchte lesen: Deinen Aufsatz über Proust, alles, was Du schreibst. Schick es doch! Ich liebe mit so zärtlichem Neid die Dichterin in Dir, Ingeborg Bachmann.“ Mit Klarheit und Unerbittlichkeit stets auf stilistisch hohem Niveau bringen Bachmann und Frisch ihre Gefühle zum Ausdruck. Pfisterer las die Briefe in einem atemlosen, oft erregten Duktus, der die Gefühlslage der Verliebten beklemmend erlebbar machte.

Im Oktober 1958 schreibt Bachmann emphatisch an Frisch: „Ich sehne mich so sehr nach dem Leben mit Dir! Lieb mich, lieb mich sehr“. Mit seiner Distanziertheit und Gefühlskälte kommt sie jedoch nicht klar: „Ich möchte die Steine aus Dir herausoperieren“. Am Ende, nach dem die Trennung unausweichlich ist, gesteht Bachmann resigniert: „Es ist mir das Herz gebrochen.“Georg Füchtner

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