Ein Stinktier kann man überstinken

von Redaktion

Die „Theaterinsel Rosenheim“ inszeniert eine Komödie von Aristophanes

Rosenheim – Bei der Überlegung in den konservativen Parteien, ob man bei der Bekämpfung der rechtsextremen Parteien deren Forderungen übernehmen soll, um Wählerstimmen abzuschöpfen, fiel immer wieder das Wort: „Ein Stinktier kann man nicht überstinken.“ Dass man ein Stinktier doch überstinken kann, dass man also eine demagogische Partei mit demagogischen Forderungen übertrumpfen kann, wollte schon der griechische Komödiendichter Aristophanes mit seiner Komödie „Die Ritter“ demonstrieren.

Ein Sklave
namens Paphlagon

Darin wird der Haushalt des Demos, also des Volkes, beherrscht von einem Sklaven namens Paphlagon. Um dessen Herrschaft loszuwerden, ersinnen die übrigen Sklaven einen Plan: Sie überreden einen Wursthändler, gegen Paphlagon anzutreten, indem er dessen Schlechtigkeit noch übertrumpft, indem er dem Volk noch mehr verspricht. „Ritter“ sind in der Athener Gesellschaft diejenigen, die sich im Kampf en Pferd leisten können, soziologisch modern also die „bürgerliche Mitte“ Thomas Eiwen hat in der Rosenheimer Theaterinsel nun diese Komödie mit vielen Anspielungen auf Rosenheimer Gegebenheiten inszeniert.

Er hätte diesbezüglich ruhig noch mutiger vorgehen können, also noch mehr modernisieren, aktualisieren und lokalisieren. Aber auch so hat er eine knapp zweistündige, insgesamt vergnügliche, politisch durchaus aktuelle Inszenierung geschafft, die in den Gegenreden der beiden Demagogen gipfelt: Wer verspricht dem Wahlvolk mehr? Populisten in Reinform. Die Zuschauer in der ausverkauften Premiere durften mittels manipulierenden Wahlzetteln abstimmen – was am Ende völlig egal war: Ein Schelm, wer aktuelle politische Ähnlichkeiten entdeckt…

Herr Volk wohnt in einem spießigen kleinen Häuschen mit Gartenzwerg, Plastikstuhl und Grill davor. Er tritt erst nach der Pause auf: Klaus Paschke, mit Hosenträgern und weißblauer Zipfelmütze, gibt hier den deutschen Michel respektive bayerischen Seppl, der ganz naiv und nichts verstehend sich von den beiden Demagogen umgarnen lässt. Seine Sklaven (Justus Dallmer und Pia Niederecker) beschließen nach einer ausgiebigen Jammer-Arie, den Obersklaven Paphlagon mittels eines Wursthändlers zu entthronen. Der Chor (Marie Elliot-Gartner, Pia Niederecker, Arnd Schöfer und Thomas Müller) begleitet – textlich nicht immer verständlich – rhetorisch das Geschehen und treiben es an, dabei manchmal in Gesang verfallend, der von Elmar Stein am Clavinova intoniert und begleitet wird.

Die Hauptpersonen sind natürlich die beiden Demagogen – die sich, ob gewollt oder nicht, im Laufe des Stücks auch stimmlich immer ähnlicher werden. Regieren sei was für den Groben, den Widerlichen, heißt es im Text, man brauche als „Volksfürst“ nur eine Schandstimme und müsse von Geburt an ein Lump sein. Lorenz Huber als Paphlagon in Anzug mit Bayernrauten-Krawatte und Robert Reichert als Wursthändler im Unterhemd und mit schmutzigem Handtuch im Gürtel übertrumpfen sich wohlartikulierend und wortgewaltig in Lumpenhaftigkeit.

Ihre Redeweise ist liebenswürdig-schleimig oder schneidend-kalt, einlullend oder aufrührend, immer aber unbekümmert populistisch-demagogenhaft.

Versicherung
versprochen

Sie versprechen Herrn Volk eine Vollkasko-Versicherung für sein Auto, überschütten ihn mit aus dem OVB entnommen schmeichelhaften Orakelsprüchen, Brezen und Bier, bis der arme Herr Volk ganz verwirrt ist.

Da steigert sich die Inszenierung in die entlarvte Kenntlichkeit. Man lacht und wird zugleich nachdenklich.

Termine

Artikel 4 von 8