Ungemein farbige und rhythmisch differenzierte Stilvielfalt

von Redaktion

Kulturverein Bad Endorf begeistert mit international besetztem Kammerkonzert im Pfarrsaal

Bad Endorf – Fagott – da denkt man spontan wohl an den brummig nörgelnden Großvater in Prokofieffs „Peter und der Wolf“ oder den hektisch agierenden Besen in Paul Dukas‘ „Zauberlehrling“. Aber „Fagott im Volkston“? Worauf darf sich der Hörer gefasst machen?

Die Fagottistin Tanja Schelter hatte das Kammerkonzert organisiert und ein Programm zusammengestellt, das den Pfarrsaal St. Jakobus gleichsam überreich mit Musik flutete, mit einem Mix, der das Publikum vor Begeisterung schier in Ekstase versetzte. Zur Klärung: „Im Volkston“ war nicht folkloristisch gemeint, sondern substantiell. Die jeweiligen Musikstücke spiegelten die Seele des „Volks“ wider, und so ergab sich eine ungemein farbige und rhythmisch differenzierte Stilvielfalt.

Zehn Musiker stemmten ein zweieinhalbstündiges Programm, in dem sich freundliches Musikantentum, Musizierlust, aber auch hochartifizielle Geniestreiche harmonisch mischten. Aus dieser Fülle kann man nur einige Titel und Namen herausgreifen: Weich, geschmeidig und volltönend eröffneten die „deep double reed players (Pietro Aimi, Kazuki Nagata, Augusto Vello Palumbo und Tanja Schelter) den Reigen mit harmonisch ansprechenden und rhythmisch gepfefferten irischen „Reflexionen“ des Amerikaners Bill Douglas.

Bei Robert Schumanns „Fünf Stücke im Volkston“ (daher das Motto!) teilten sich verschiedene Solisten in die einzelnen Sätze. Dieser Wechsel brachte wieder neue Spannung und belebte die Aufmerksamkeit.

Judith Trifellner assistierte souverän am Klavier. Als gewiegte Ragtime-Pianistin traf sie mit der Uraufführung von Michael Kapsner triumphal ins Schwarze. Das kleine, aber hochvirtuose Stück basiert auf den paar Buchstaben von „Bad Endorf“, die sich in Töne umsetzen lassen. So entstand der „Bad Ragdorfer“, kurz aber knackig, kann man da nur sagen, ein famoser Wurf!

Das „Family Music Quartet“ aus Italien (Mama: Flöte; Papa: Klarinette; Tochter: Horn; Sohn: Fagott) erfreute mit einem Medley südlicher Volkslieder und vor allem mit den sehr fein bearbeiteten alten ungarischen Tänzen des Bartok-Gefährten Ferenc Farkas.

Präzision und betörende Klangsinnlichkeit waren eine selbstverständliche Voraussetzung.

Drei „Superstars“ zum Abschluss: Der Cellist Hotaka Sakai musizierte das „Intermezzo e danza“, das sich der große Gaspar Cassadó einst für sein Instrument und seine Kragenweite geschrieben hatte, in kaum vorstellbarer Vollendung.

Und Augusto Vello Palumbo wagte sich an „Sonatine Tango“, welche der Professor Max Dubois, die Messlatte extrem hoch hängend, komponiert hatte, um die Standfestigkeit der Studenten zu testen. Für Augusto Palumba kein Problem!

Nun ist noch ein Auftritt nachzutragen, der vor der Pause erfolgte: Kazuki Nagata inszenierte den „Monolog für Fagott solo“ des Südkoreaners Isang Yun. „Vorsicht, Avantgarde!“ deutete die Moderatorin dezent an. Isang Yun wollte zwischen Nord- und Südkorea „Brücken bauen und politische Gräben überwinden“. Er wurde aus Deutschland vom südkoreanischen Geheimdienst nach Seoul entführt und war zweimal inhaftiert.

Für dieses aufwühlende Werk wurde die Bühne abgedunkelt, zwei auf Notenständern postierte Bilder suggerierten Isolationshaft. Kazuko Nagata ließ sein Instrument knarren, seufzen und stöhnen; unruhig flackernde Motive versuchten die Not und Qual des Gefangenen nachvollziehbar zu machen. In dieser Komposition war nichts erklügelt, sondern ausnahmslos erlitten und künstlerisch gestaltet. Angesichts des schockierenden Schicksals von Alexej Nawalny bekam dieser „Monolog“ eine ungemein bittere Aktualität.

Postskriptum: Mit der fetzigen Darbietung von Paul Desmonds „Take Five“ und der Zugabe, bei der alle zehn Akteure nochmal auf der Bühne standen, endete das Konzert „im Volkston“ heiter, versöhnlich und unbeschwert. Walther Prokop

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