In ruhigem Fluss mit leuchtendem Plus

von Redaktion

Abendmusik des Kammerchors Rosenheim zur Fastenzeit

Rosenheim – Noch etwas schüchtern, dann aber schwerelos leicht schwebend im satten Piano-Klang und den reinen romantischen Akkorden vertrauend beginnt der Kammerchor Rosenheim mit dem Kyrie aus der achtstimmigen Es-Dur-Messe von Josef Rheinberger, sich dabei immer wieder hin zu den wehmütigen Septakkorden sich aufschwingend: In ruhigem Fluss strömen diese Chorklänge durch die hallige Akustik der gut gefüllten Nikolauskirche.

Alte Tradition
aufgegriffen

„Abendmusik“ nennt Christopher Ryser, der Kirchenmusiker von St. Nikolaus, seine Konzertreihe mit Lesungen. Er lehnt sich damit an eine alte Tradition an: In der Hansestadt Lübeck begründete Franz Tunder die Lübecker Abendmusiken, die ersten kirchenmusikalischen Veranstaltungen außerhalb des Gottesdienstes. Dietrich Buxtehude führte diese Tradition fort und baute sie aus.

Kluge und trostreiche Worte von Hannelore Maurer unterbrechen und verbinden die einzelnen Gesangsstücke. Maurer deutete das Kreuz als leuchtendes Pluszeichen, verknüpfte die aktuelle Verzweiflung mit einer möglichen Vergebung, dabei auf das berühmte Nagelkreuz von Coventry verweisend, das auch ein Plus-Zeichen sei, und zitierte dann ein bekanntes Gedicht von Lothar Zenetti: „Wenn alle zweifeln, wagt zu glauben!“

Ryser leitet den Chor mit weichen und fließenden Bewegungen, die Sicherheit und Vertrauen wecken. Den ruhigen Fluss steigert er in einem Madrigale aus dem „Israelsbrünnlein“ von Johann Herrmann Schein in den oftmals wiederholten Worten „Meine Lippen sollen dich loben“. Energisch und fordernd beginnen die Männerstimmen die Motette „Richte mich, Gott“ von Felix Mendelssohn Bartholdy, von den Frauenstimmen flehentlich weitergeführt bis zur machtvoll gesungenen Bitte „Sende dein Licht!“ und wohlig-satten Septakkorden, die die Harfe symbolisieren.

Der ruhige Fluss der Stimmen geriet ins wellenartige Überfließen bei der Motette „Reminiscere“ von Carlo Gesualdo, die dieser Abendmusik den Titel gab. Noch etwas zögerlich kam ein hochromantischer Chorgesang von Moritz Hauptmann: „Meine Seele ist stille zu Gott“. Reine Akkorde in schlichter Schönheit prägten das „Ave verum“ von William Byrd, eine wellenartige Steigerung hin zum Wort „Herrn“ dominierte „Ich hebe meine Augen auf“ von Albert Becker – eine unwissentliche Konkurrenz zu dem berühmteren von Mendelssohn Bartholdy. Die satten tiefen Bässe symbolisierten den eben nicht schlafenden, sondern helfenden Herrn. Schön war’s – nur zu kurz. Trotz langen Beifalls gab’s keine Zugabe.

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