Rosenheim – Die Tradition des „Fastentuchs“, welches das Altarbild in der vorösterlichen Zeit verhüllt, wird in der Kirche Sankt Hedwig seit mehreren Jahren auf besondere Weise fortgeführt. Statt eines Tuches prägen großformatige Bildtafeln des in Bad Aibling lebenden, überregional bedeutsamen Künstlers Andreas Legath den Altarraum. In diesem Jahr sind die „Tenebrae“ (also „Finsternisse“) betitelten Tafeln mit der Darstellung der Leidensgeschichte Jesu ein aufgefächerter Kreis, ein Bilderbuch der Passion sozusagen. Der Beschauer muss um dieses „Buch“ herumschreiten, um alle Details betrachten zu können.
Andreas Legath ist nicht nur bildender Künstler, sondern auch passionierter Musiker. So ließ er sich von dem Renaissance-Komponisten Carlo Gesualdo inspirieren, der für die Kartage liturgische Texte vertont hatte. Das Vorbild der ja im Grunde abstrakten Musik hat wohl zweierlei bewirkt: Zunächst deutet der Künstler die Geschehnisse nur an, er vermeidet realistische Szenen – das Leichentuch auf karstigem Gelände muss für die Grablegung genügen. Legath verzichtet bewusst auf jegliche plakative Symbolik, wie sie im pastoralen Kunstgewerbe gerne Verwendung findet.
Als zweiten Einfluss von Gesualdos düster glühenden Harmonien lässt sich die subtile formale Gestaltung der Bildfläche erspüren: Fließende Formen, dicker Farbauftrag und auch applizierte Gegenstände wie Hufeisen oder spitze Lanzen wirken unmittelbar emotional auf den Beschauer. Nimmt man die einzelnen Bilder unvoreingenommen wahr, beginnen diese Kunstwerke wie sichtbar gewordene Musik zu klingen.
Ein weiterer Blickfang ist der riesige blutgetränkte Mantel, der das überdimensionale Kruzifix des Bildhauers Josef Hamberger nicht verhüllt, sondern die eindrucksvolle Gestalt des Gekreuzigten vielmehr hervorhebt. Walther Prokop