Nicht nur ihre Kugeln werden bleiben

von Redaktion

Zum Tod von Ute Lechner – Die bekannte Künstlerin starb am Mittwoch in ihrem Domizil in Rechtmehring

Rechtmehring – Ute Lechner ist tot. Die Grande Dame der hiesigen Kunstszene, wie sie Kulturreferent Christoph Maier-Gehring 2017 anlässlich der Verleihung des Kulturpreises des Landkreises Rosenheim titulierte, verstarb kürzlich in ihrer Kumpfmühle. Die Beerdigung ist am Dienstag, 12. März, um 11 Uhr in der Kirche St. Korbinian in Rechtmehring.

Die regionale Kunstszene hat mit Ute Lechner eine ihrer profiliertesten und renommiertesten Künstlerinnen verloren. Ihre Werke werden jedoch bleiben. Wer kennt sie nicht, die goldglänzenden oder rostfarbenen Kugeln, die sich auf Kreisverkehren wie in Wasserburg am Inn oder im öffentlichen Raum wie in der Grünanlage des Klinikums Rosenheim befinden. Diese Kugeln, die zum Markenzeichen wurden, verweisen auch auf ihren künstlerischen Weggefährten und Ehemann Hans Thurner. Seit Anfang der 2000er-Jahre beschäftigten sich die beiden damit.

Hans Thurner, der mit den drei „Bs“, Bauer, Bürgermeister und Bildhauer, schweißte die rostbraunen Eisenkugeln zusammen. Von Ute Lechner stammen die gegossenen Messingkugeln. Und so wie sich die beiden Kugeln unterscheiden, so verschieden sind auch die beiden Schöpfer. Doch gerade aus ihren Unterschieden schöpften die beiden Ideen und Kraft.

Ute Lechner, die schlanke, großgewachsene Tochter aus gutem Hause, geboren in Berlin 1937, aufgewachsen in Marburg in Hessen, Mutter FDP-Abgeordnete, Waldorfschülerin, Absolventin der Hochschule für Bildende Künste in Kassel, wo sie Malerei bei Fritz Winter studierte, introvertiert und nachdenklich, und Hans Thurner, der stämmige Oberbayer aus dem kleinen Dorf Landertsham bei Obing, Jahrgang 1951, künstlerischer Autodidakt und begnadeter Handwerker, extrovertiert und humorvoll. Die beiden begegneten sich im Dezember 1978 auf dem „Weihnachtsmarkt der Künstler“ des Kunstvereins Rosenheim in der Städtischen Galerie. Beide stellten aus, beide konnten nicht verkaufen und beide, die damals Ehepartner und Kinder hatten, traf die Liebe wie der Blitz. Nach einem Jahr der Korrespondenzen taten sie sich zusammen und machten seit 1980 mit ihren vielfältigen Installationen und Ausstellungen auch international auf sich aufmerksam.

Mit „Bildwölbungen“, „Trögen und Kästen“, „Skulpturen in Eisen und Stoff“, „Wärmeobjekten“ und „Schreinen“ loteten sie ihren künstlerischen Weg aus und erprobten, wie viel Provokation dem Publikum zumutbar ist. Das grundlegende Thema „Leben und Vergänglichkeit“ liegt als Basso continuo unter all ihren Objekten, Installationen und Kunstaktionen. Alles kreist um das Verrinnen der Zeit, um die nie zu erreichende Perfektion, um das Unzulängliche im menschlichen Dasein, um das stete Gefährdet-Sein.

Ute Lechner und Hans Thurner stellten von Frankreich bis Ägypten, von Polen bis Ungarn und Österreich aus. In Deutschland sowieso. In Seeon setzten sie sich im Jahr 2000 mit der Installation „Laudemium“ kritisch mit den früheren Abgaben der Bauern an das Kloster auseinander. 2002 präsentierten sie ihre „Maßnahmen zur Kunst“ in der Städtischen Galerie Rosenheim mit Objekten auf rollenden Maschinen, die die Zuschauer steuern konnten und damit Teil der Kunstinstallation wurden.

Die Anregung zu bewegten Objekten kam von Jean Tinguely, mit dem sie ebenso befreundet waren wie mit Guenther Uecker, Hermann Nitsch oder Daniel Spoerri. „Kugellager“ (2006) und „Zeitkästen“ (2018) im Ganserhaus Wasserburg fanden viel Beachtung. Bei den „Zeitkästen“ war Hans Thurner bereits tot. Er starb 2017 mit 66 Jahren. Irgendwie konnte man sich Ute Lechner nicht ohne Hans Thurner vorstellen; sie wohl auch nicht.

Der Tod ihres jüngsten Sohnes Matäus, der im Januar 2022 nach einem Motorradunfall und Monaten im Koma verstarb, kam hinzu. Ute Lechner wirkte in der letzten Zeit immer zerbrechlicher.

Nun starb Ute Lechner in ihrem Domizil, der Kumpfmühle bei Rechtmehring. In der alten Mühle lebte und arbeitete einst die Bildhauerin Louise Stomps. Nach deren Tod 1988 kaufte Ute Lechner das Anwesen, und Hans Thurner baute es aus und um und an, bis es ein respektabler Künstlersitz wurde.

Mit Ute Lechner ist eine aufmerksame, kritische, mit sich selbst nie ganz zufriedene, dabei persönlich sehr zurückhaltend auftretende Künstlerin gegangen, die als Mitglied der regionalen Kunstvereine, und besonders im AK 68 in Wasserburg tiefe Spuren hinterlassen hat. Dr. Evelyn Frick

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