„Kann Künstler in der Seele verstehen“

von Redaktion

Interview Anke Hellmann ist die neue Kulturreferentin des Landkreises Rosenheim

Rosenheim – Zum 1. April ist Christoph Maier-Gehring, der Kulturreferent des Landkreises Rosenheim, im Ruhestand. Seine Nachfolge tritt Anke Hellmann an. Sie ist in Bamberg geboren, hat in München und Stockholm Theaterwissenschaft, Neuere Deutsche Literatur und Nordische Philologie studiert und war in München, Schwaben, Unterföhring und Traunreut im Kulturmanagement tätig. Im Interview mit den OVB-Heimatzeitungen erzählt sie eloquent und energisch, warum sie was studiert hat, was sie bisher gearbeitet hat und was sie für Pläne hat.

Sie sind in Bamberg geboren, leben und arbeiten aber schon lange in Oberbayern: Gab’s da interkulturelle Konflikte?

(lacht) Nein – sicher gibt es Begriffe, die man nicht auf Anhieb versteht. Ansonsten sind die Kulturen in Franken und Oberbayern ziemlich ähnlich: die Liebe zum Bier, zu einer anständigen Hausmannskost. Eine Verbindung sehe ich in der Weltkulturerbe-Angelegenheit: Bamberg, das fränkische Rom, hat als Weltkulturerbe ja eine unglaublich faszinierende Geschichte zu bieten. Und jetzt möchte der Landkreis hier zusammen mit Rosenheim, Traunstein und Bad Reichenhall ebenfalls alpines Weltkulturerbe sein. Das lässt sich gut übertragen.

Sie haben am Kaiser-Heinrich-Gymnasium in Bamberg Abitur gemacht.

Wir haben sehr viel Theater gespielt, beispielsweise „Die Vögel“ von Aristophanes, „Die Bakchen“ von Euripides, wo ich die Agaue gespielt habe, aber auch modernere Stücke. Ich wurde beim Abschluss dafür mit einer Auszeichnung geehrt. Meine Leidenschaft für Kultur kommt durch diese humanistische Erziehung an diesem Gymnasium. Wir haben uns sehr viel mit dem griechischen und römischen Kulturerbe beschäftigt, daher war der Weg zur Theaterwissenschaft geebnet.

Sie haben neben Neuerer Deutscher Literatur und Theaterwissenschaft auch Nordische Literatur studiert: Warum gerade das?

Für das Magister-Studium an der Ludwig-Maximilians-Universität München waren zwei Nebenfächer obligatorisch. Ich bin über eine Freundin, die Schwedisch gelernt hat, darauf gekommen. Ich habe dann auch Schwedisch gelernt und mich für ein Erasmus-Stipendium in Stockholm beworben, war dann in Stockholm und habe dann erst beschlossen Nordische Philologie zu studieren. Die ist sehr umfangreich (zeigt auf ihr Studienbuch, das sie mitgebracht hat). Ich habe Dänisch, Isländisch, Alt-Isländisch lernen, Norwegisch verstehen und lesen müssen.

Wie viele Monate waren Sie jeweils in Stockholm?

Von 2004 bis 2005 war ich knapp ein Dreivierteljahr in Stockholm und habe mich dort auf den Bereich Tanzwissenschaft spezialisiert, einen Bereich, den es damals an der LMU in der Tiefe noch nicht gab.

Wie sind Sie denn darauf gekommen?

Die Ballett- und Tanzgeschichte hat mich in der Zwischenprüfung sehr fasziniert und ich habe mich gewundert, warum dieses Wissen nicht an den Schulen gelehrt wird. Der Tanz wird in Deutschland subventioniert, aber das Vermitteln dieser Geschichte als Teil unserer kulturellen Identifikation fällt in der Schulvermittlung durch. Durch den Schwedenaufenthalt bin ich auf den Choreografen gestoßen, über den ich auch meine Magisterarbeit geschrieben habe: Mats Ek. Was mich an ihm fasziniert hat, ist, dass er die klassischen Rollenbilder gegen den Strich gebürstet hat. Seine weiblichen Figuren hat er sehr männlich inszeniert. Selbst seine Schwäne in „Schwanensee“ tragen Glatze und zeigen Muskeln! Er war den Grundlinien der originalen Ballette treu, hat aber immer neuen, modernen Twist eingeflochten.

Haben Sie auch als Mädchen Ballett getanzt?

Nein. Ich habe Ballettunterricht genommen, um zu verstehen, wie der Körper im Ballett funktioniert.

Sie waren unter anderem auch Dozentin für Tanzgeschichte?

Das hat sich so nebenher ergeben. Ich habe an der Hochschule für Musik und Theater in München die angehenden Ballett-Tänzer und -Tänzerinnen in Tanzgeschichte unterrichtet.

Dann kamen Sie zu „Spielart“, diesem Festival für zeitgenössische Theaterformen, eine Partnerschaft zwischen BMW und München.

1979 gründeten die BMW AG und die Landeshauptstadt München den Verein Spielmotor München mit dem Ziel, besondere inter-kulturelle Aktivitäten zu fördern und moderne, zeitgenössische künstlerische Projekte in den Bereichen Tanz, Musik und Theater zu ermöglichen. Ich bin da schon während des Studiums ganz klein im Festivalbüro eingestiegen. Die Stücke, die während der Festivals präsentiert wurden, haben meine Sehgewohnheiten stets erweitert.

Damit haben Sie von der Pike auf gelernt, Kultur zu organisieren?

Ja, Kultur zu verstehen, zu vermitteln, zu verkaufen. Ich war auch journalistisch tätig, habe für „Tanznetz“ geschrieben. In Kombination mit den studienbegleitenden Praktika habe ich von vielen Seiten her Kultur erleben dürfen. Ich glaube, dieses Künstlerdeutsch, den Künstler in der Seele, verstanden zu haben.

Und wie ging es dann weiter?

Ich habe in diversen kommunalen Verwaltungen gearbeitet und als Elternzeitvertretung zwei Jahre das Bürgerhaus in Unterföhring geleitet. Aufgabenschwerpunkte waren unter anderem auch die Programmgestaltung, Organisation von Gastspielen und die Verwaltung der Liegenschaft. In Traunreut habe ich das kommunale Kulturzentrum geleitet, was in etwa dieselben Aufgaben waren. Nicht zu vergessen: vorher der große Sprung zum Bezirk Schwaben als stellvertretende Abteilungsleiterin der Kultur- und Europaabteilung. Im Rahmen dessen hatte ich Kloster Thierhaupten und Schloss Höchstädt zu bespielen – was mir jetzt für die Programmgestaltung von Schloss Hartmannsberg natürlich zugutekommt. Dazu hatte ich ein schwäbisches Jugendsymphonieorchester zu betreuen und war für die Fördermittel zuständig. Kulturelle Veranstaltungen organisieren – das kann ich jetzt (lacht).

Haben Sie für den Landkreis Rosenheim besondere Pläne, Schwerpunkte oder Träume?

Das, was bereits besteht, muss man am Leben erhalten und weiterführen. Träume: Mir liegt die Kulturvermittlung für Kinder sehr am Herzen. Ich denke gerne in Netzwerken. Ich hatte in Traunreut während der Corona-Zeit einen Künstlerstammtisch ins Leben gerufen und habe ein landkreisübergreifendes Literaturfestival mitinitiiert: „Leseglück – grenzenlose Literatur“. Ähnlich vernetzt arbeiten möchte ich auch im neuen Job.

Was machen Sie, wenn Sie nicht Kultur machen? Also: Haben Sie ein Hobby?

Ich bin sehr gerne in der Natur, bin gerne Hobby-Gärtnerin und liebe Pflanzen. Zum Schluss möchte ich noch sagen: Ich bin bisher im Landkreis Rosenheim sehr, sehr freundlich empfangen worden und möchte mich an dieser Stelle für diese tolle Willkommenskultur bedanken. Und ich freue mich sehr darauf, Land und Leute kennenzulernen!

Interview: RAINER W. JANKA

Artikel 1 von 11