Bad Aibling/Prien – Josef Hader glänzt mit seinem Kinofilm „Andrea lässt sich scheiden“ erneut als Autor, Regisseur und Hauptdarsteller neben Birgit Minichmayr in der Titelrolle. Bei der Berlinale 2024 erntete er bei Kritik und Zuschauern viel Beifall. Von Berlin nach Bayern: Zwei Wochen vor dem offiziellen Start stellt Hader seinen neuen Film in ausgewählten Kinos auch der Region persönlich vor. Dafür hat Josef Hader sogar seine Tour „Hader on Ice“ unterbrochen. Zu sehen ist der Film am Montag, 18. März, im Cinewood in Waldkraiburg, Beginn 19 Uhr. In Aibling im Aibvision ist der Film am Dienstag, 19. März, zu sehen, Beginn um 19.30 Uhr, in Mike‘s Kino in Prien wird „Andrea lässt sich scheiden“ am selben Abend ab 19.45 Uhr gezeigt. Wir sprachen mit ihm zuvor über Kreativität in Zeiten von Corona, unruhiger Weltgeschichte und darüber, ob ein Arbeitszimmer sich als Café eignet.
Das letzte Mal, als wir uns begegnet sind, wollten Sie mir hinterher zwei Karten für Ihren nächsten Auftritt spendieren.
Und, haben Sie sie bekommen?
Das war damals im Café Luitpold in München, Sie lasen aus den Werken von Thomas Bernhard, und es war so überfüllt, dass meine Frau und ich uns auf die Treppe neben Ihrem Schreibtisch zwängten.
Aaah, ja, da war das. Und die haben Sie nie abgeholt?
Konnte ich nicht. Das wäre im März 2020 gewesen, und da war wegen Corona bald alles abgesagt.
Ich spiele im Circus Krone, im April. Da könnten Sie ja schauen, ob Sie Zeit haben. Dann könnte ich meine Einladung endlich wahr machen.
Danke. Wie haben Sie denn seinerzeit Corona und die Lockdowns überstanden?
Die Pandemie hat mich nicht sehr beeinträchtigt. Es gab zwei Menschen, die sie vorausgesehen haben. Der eine war glaub ich Bill Gates, der andere war auf alle Fälle ich, weil ich hatte mir das Jahr 2020 tatsächlich von vornherein als reines Schreibjahr vorgenommen. Ich wollte in diesem Jahr abwechselnd ein neues Kabarett-Programm und einen neuen Film schreiben. Und das habe ich dann auch gemacht. Insofern war Corona für mich eher eine Konzentrationshilfe.
Das war 2020. Aber wie war‘s danach für Sie als Bühnenkünstler? Ich kann mich da an einen Clip erinnern, in dem Sie mit viel Alkohol „Struktur ins Leben“ bringen.
Ich hatte im ersten Lockdown während des Schreibens das Bedürfnis, ein paar Ausschnitte aus dem Programm zu testen und zu schauen, wie die Reaktionen sind. Da habe ich so kleine Filmchen gemacht, als Testballons. Das Programm kam dann im Juni 2021 raus, mit einer Verschiebung von ein paar Monaten. Die hat mir auch gut getan. Ich bin ja jemand, der immer zu spät fertig wird und alles im letzten Moment macht. Insofern war auch die Verschiebung durch die zweite Corona-Welle günstig, dadurch hatte ich länger Zeit zum Proben. Ich bin ein kompletter Profiteur der Seuche.
Die Seuche ist vorüber, die Welt aber noch schlimmer in Unordnung als zuvor. Ist das für einen Kabarettisten dankbar, weil so viel los ist, oder ist das Überangebot schon wieder fad?
Als Bürger finde ich die Zeiten sehr beunruhigend. Als Satiriker muss ich gestehen, dass sie auch inspirierend sind, weil unruhige Zeiten nach besonderen Zugangsweisen verlangen. Ich hab das eigentlich schon im Jahr 2019 gemerkt. Damals habe ich begonnen, mein Programm zu konzipieren. Das war ja auch schon eine unruhige Zeit. Wir haben bloß noch nicht gewusst, wie unruhig die Zeiten noch werden. Damals gab es schon Verschwörungstheorien, auch eine ansatzweise Spaltung der Gesellschaft. Es war vieles schon da, was dann durch Corona noch stärker wurde: das Verabschieden von Informationen, von denen wir gemeinsam ausgehen, diese freiwillige Rücknahme von Errungenschaften der Aufklärung. Das Zusammenbrechen vieler Gewissheiten der Nachkriegszeit. Nun ist alles noch viel ärger geworden, inklusive zweier Kriege und einer Inflation. Es werden die Schrauben angezogen für eine unwirtliche Zeit, die an die Zeit vor hundert Jahren erinnert.
Man will lieber nicht wissen, was vor einem liegt.
Man weiß es eh nicht. Insofern ist die Entscheidung, ob man das wissen will oder nicht, ein bisserl egal. Man ist wie jede Generation der Weltgeschichte ausgesetzt. Unruhige Zeitverläufe sind in der Weltgeschichte etwas ganz Normales. Es tritt für unsere Generation vielleicht eine gewisse Gerechtigkeit ein: Wir haben geglaubt, wir könnten der Weltgeschichte ein Schnippchen schlagen. So einfach wird es jetzt doch nicht.
In diesen unruhigen Zeiten kommen Sie mit einem bemerkenswert ruhigen Film heraus. „Andrea lässt sich scheiden“. Das war der Film, an dem Sie während Corona schrieben?
Genau. Da habe ich die erste Fassung des Drehbuchs geschrieben.
Eine Geschichte von Schuld und Irrtum und Freiheit im Untergang: Die kann man sich überall vorstellen. Aber kann man die woanders ebenso erzählen wie in Niederösterreich?
Ich hab den Eindruck, dass man sie ähnlich auch in Norddeutschland erzählen könnte, oder in Bayern. Oder wahrscheinlich auch in Nordfrankreich – überall, wo es wirtschaftlich abgehängte Gegenden gibt und die Übriggebliebenen irgendwie miteinander alles aufrecht erhalten müssen. In der Premiere von „Andrea“ war auch Detlev Buck. Ich hatte seinerzeit seinen Film „Karniggels“ gesehen, der in Schleswig-Holstein spielt. Und ich dachte damals, das ist ja wie bei uns zu Hause. Er sagte diesmal, er könne das nun zurückgeben, „Andrea“ ist so wie bei ihm zu Hause. Provinz ist etwas Internationales.
Man sieht großartige Schauspieler. Ist Birgit Minichmayr eine Lieblingsschauspielerin?
Ja, auch. Aber auch eine der Größten, die wir haben. Und für diese Rolle hätte ich niemand anderen im Kopf gehabt. Ich hab sie mir sehr schnell beim Schreiben vorgestellt und einfach gehofft, dass sie ja sagt.
Das hat sie.
Gott sei Dank. Ich habe viele Fassungen geschrieben, bevor ich sie gefragt und es ihr gezeigt habe. Ich hab nicht vorher gesagt, du, ich hab da so eine Idee. Ich wollte ihr gleich etwas Ordentliches vorlegen.
Der Lehrer Franz, den Sie in dem neuen Film spielen, scheint mir ein Cousin vom Kommissar Brenner zu sein. Wie eng sind die beiden mit Josef Hader verwandt?
Für mich sind sie naturgemäß sehr unterschiedliche Charaktere. Der Brenner ist ein Mann, der sehr trotzig ist, mit seinem Beleidigtsein auf die Welt. Er ist ein noch halbwegs viriler Mann, der Schwierigkeiten hat mit dem Älterwerden. Der Franz ist viel weicher und filigraner und findet eine große Freiheit darin, dass er eigentlich nix mehr erreichen will. Er ist auch ein sehr gutmütiger Mensch. Obwohl ich beide spiele, finde ich sie diametral entgegengesetzt. Aber – ich lasse Ihnen gerne Ihre Meinung (lacht).
Sagen wir so, es sind zwei vom Leben angeschrammte Menschen.
Das auf alle Fälle. Es sind Gebeutelte.
Am Ende lässt der Franz den Wagen stehen und macht sich zu Fuß auf die Reise. Es könnte der Aufbruch in ein neues Leben sein, oder?
Ja, er hat von den letzten Dingen, die unwichtig sind, Abschied genommen. Zum Beispiel von seinem Auto. Und so wie er der Andrea ein bisschen weiterhelfen konnte, einfach durch die Tatsache, dass er nicht einer dieser Männer ist, die sofort eine Lösung für alles wissen, sondern selber hilflos ist, so hat er auch etwas mitgenommen von ihr. Das ist ein Fall, in dem zwei Menschen voneinander profitieren, die grundverschieden sind. Als einzige Gemeinsamkeit haben sie, dass sie Außenseiter sind.
Was haben Sie als nächstes vor?
Ich habe vor, dass ich diesen Sommer und Herbst in zwei Projekten als Schauspieler mitmache. Das eine ist ein Film von Tom Schreiber, „Schöne Seelen“, mit August Diehl in der Hauptrolle. Das zweite ist ein Zweiteiler nach Oskar Maria Graf, „Unruhe um einen Friedfertigen“ unter der Regie von Matti Geschonneck. Das spielt in einem bayerischen Dorf der Zwischenkriegszeit. Nächstes Jahr möchte ich mich wieder mit einem Schreibbuch hinsetzen und spintisieren und schauen, was mir dann einfällt.
Hoffen wir, dass es dazu nicht wieder eine Pandemie braucht.
Nein, nein, in Wirklichkeit brauche ich keine Pandemie. Es war damals auch ein bissl störend. Ich schreibe so gern am Vormittag im Café in mein Schreibbuch, und am Nachmittag tippe ich zu Hause in den Computer, mit dem, was ich am Vormittag vorbereitet habe. Ich habe damals in der Wohnung das Arbeitszimmer als Café eingerichtet, mit einem Tischchen. Und am Nachmittag bin ich dann rüber in die Küche, um dort Büro zu machen. Das war nicht optimal. Ich bin sehr froh, wenn ich rausgehen kann, auch beim Schreiben: Ich schreib gern im öffentlichen Raum. Wahrscheinlich war das mit Corona als Konzentrationshilfe ein bissl kokett. Man sagt ja manchmal Sachen, nur weil sie gut klingen.
Interview: Michael Weiser