Scheinbar, unheimlich oder surreal real?

von Redaktion

Galerie im Alten Priener Rathaus zeigt Arbeiten von Hans Sagmeister

Prien – Scheinbar real, unheimlich real oder surreal real? Die Besucherinnen und Besucher der Ausstellung in der Galerie im Alten Rathaus haben die Wahl. Die großformatigen Ölgemälde des Samerberger Künstlers Hans Sagmeister lassen sich keiner Stilrichtung zuordnen, sind aber dem Figurativen verbunden. Die Titel der einzelnen Oeuvres lassen erahnen, dass sich Sagmeister von überall her seine Inspirationen holt. Sei es aus der Natur („Samersee“), aus Flora und Fauna (beispielsweise „Käfer“), seien es Erinnerungen an seine Kindheit („Sterfling“ zeigt seine Familie auf dem Hochstaufengipfel) oder sei es seine Leidenschaft für den Sport (das Fußball-Triptychon zeigt „Gott Fußball“ und dessen Fans von der einfach nur begeisterten bis zur hässlichen, auf Krawall ausgelegten Seite).

Liedtitel von der
Klassik bis zum Rock

Auch Liedtitel von der Klassik bis zum Pop und Rock, Bibel-Zitate („Matthäus 19/24“: Dort heißt es „Es ist leichter, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr geht, als daß ein Reicher in das Reich Gottes hineinkommt!“ – auch ohne die Bibelstelle zu kennen, erkennt selbst das ungeschulte Auge die Aussage) sowie Exzerpte aus der Dichtung und der Literatur haben den Künstler zur bildlichen Umsetzung angeregt. Wer Desmond Dekkers „Israelites“ kennt, fängt automatisch vor dem Bild „Israelites“ Sagmeisters an, mitzuschwingen und mitzusingen. „Die Gedanken sind frei“ heißt ein anderes Bild: Hier hat Sagmeister dem Volkslied, das wohl vor 1800 entstanden ist, einiges entgegenzusetzen. Man macht die Kuppel des Petersdoms und die Frankfurter Bankenskyline aus, da erahnt man das Logo von Bayer und Microsoft. Sagmeister schlägt im wahrsten Sinne des Wortes eine Brücke zwischen allen künstlerischen Ausdrucksformen. Die Ölgemälde wirken wie fotorealistische Kunst, sind es aber nicht. Es sind auch keine Collagen. Es ist Feinmalerei, akkuratest ausgeführt, farbtechnisch sorgfältig aufeinander abgestimmt. Da erkennt man keine Übergänge. Da knallt auch nichts, wie man so schön auf neudeutsch sagt. Und entfaltet doch seine Wirkung. Das Gedicht „Götterdämmerung“ von Heinrich Heine (1797-1856) ist eins zu eins das Ölgemälde „Götterdämmerung“ von Hans Sagmeister: Die gute und die böse Seite des Menschen. „Der Jäger Gracchus“ von Franz Kafka (1883-1924) erzählt von einem Toten, der nicht zur Ruhe kommt. Hans Sagmeister gestaltet die Erzählung in ein nicht enden wollendes Labyrinth. Einen besonderen Raum bekommt in der von Inge Fricke sorgsam kuratierten Ausstellung Franz Schuberts (1797-1828) „Winterreise“.

Nachdrücklich
festgehalten

24 Lieder für Singstimme und Klavier – von Hans Sagmeister eindrücklich und nachhaltig wirkend in 24 Bildern festgehalten. Da muss man weder die Liedtexte kennen noch die Bildtitel lesen. Die Bilder sprechen für sich: „Gefror’ne Tränen“ erstarren zu Eis, „Gute Nacht“ zeigt eine schlafende junge Dame und das lyrische Ich, das einen Gruß ans Tor schreibend, in einer Winternacht aufbricht. Das Lied „Der greise Kopf“ hat Sagmeister zu einem am Boden Liegenden inspiriert, der noch einen endlosen Weg mit unendlich vielen Höhen und Tiefen vor sich hat. „Die Krähe“, bei Schubert Freund und Tod zugleich, erhält von Sagmeister Silberglanz auf ihren Federn. Die Ausstellung zeigt einen breiten Ausschnitt des Schaffens des Samerberger Künstlers. Beeindruckend, wie Sagmeister mit Farben spielt und perspektivisch komponiert. Wie er mit Symbolen, mit Dimensionen, mit Räumen, mit mehreren Bewusstseinsebenen und Blickwinkeln spielt. Seine Arbeiten sind gegenständlich, symbolisch und surrealistisch zugleich. Wer eintauchen möchte in „scheinbar reale“ Welten: Die Ausstellung läuft noch bis zum 28. April.

Bis 28. April

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