Von der Straße auf die großen Bühnen

von Redaktion

Die Rosenheimer Band „Amistat“ startet heute Europa-Tournee

Rosenheim – Acht Jahre lang haben sie in Australien gelebt, seit vier Jahren sind die Zwillingsbrüder Josef und Jan Prasil zurück in ihrer Heimat Rosenheim: Zusammen bilden sie seit elf Jahren die Folkband „Amistat“. Am heutigen Freitag starten sie ihre Europa-Tournee. Im Interview verrät Jan Prasil, wie sich der Moment direkt nach einem Konzert anfühlt, welche Rituale er vor Auftritten hat und warum er hofft, auch mal in Rosenheim auftreten zu können.

Die Tage, bevor die Tour losgeht, stelle ich mir stressig vor.

Früher war es deutlich einfacher, weil Josef und ich nur mit dem Auto unterwegs waren. Jetzt haben wir einen Tourbus und ein zehnköpfiges Team. Wir müssen Flüge und Hotels buchen, haben etliche Generalproben und tüfteln daran, für jedes Lied die richtigen Sound-Einstellungen zu finden. Zudem arbeiten wir an einem Online-Shop und einer neuen Merchandise-Kollektion. Die letzten sechs Monate waren definitiv extrem anstrengend.

Macht es trotz allem Spaß?

Ja, in jeder Hinsicht. Wir investieren ja in unseren Traum. Außerdem bekommen wir von den Menschen, die zu unseren Konzerten kommen, wahnsinnig viel zurück. Das erfüllt mich extrem. Ich liebe es, Lieder zu schreiben und aufzunehmen, aber von der Live-Musik lebe ich. Deshalb möchte ich mich auch niemals beschweren. Wir haben zwölf Jahre darauf hingearbeitet, damit es so ist, wie es jetzt ist.

Ihr habt als Straßenmusiker in Australien angefangen. Hättet ihr euch jemals erträumt, dass ihr an den Punkt kommt, an dem ihr gerade seid?

Ich glaube, wir haben das eigentlich stetig visualisiert. Australien war so eine krasse Zeit für uns. Das waren wirklich die größten Höhen und Tiefen. Und wir hatten eine ganz, ganz schwierige Zeit dort. Und trotzdem haben wir immer dieses Ziel vor Augen gehabt, an dem wir drangeblieben sind. Natürlich wache ich an manchen Tagen auf und kann nicht glauben, dass das mein Leben ist. Denn obwohl wir es immer manifestiert haben, ist es nach wie vor unreal, dass es dann wirklich so passiert ist.

Wie habt ihr es geschafft, trotz der vielen Tiefen, nicht aufzugeben?

Wir sind zu zweit. Das hilft extrem. Ich weiß nicht, ob ich es alleine auch so geschafft hätte. Wir haben uns gegenseitig motiviert, viele Bücher gelesen und motivierende Videos auf Youtube angeschaut. Wir haben uns mit Menschen umgeben, die ähnlich ticken wie wir. Auch das hat uns während der schweren Zeiten sehr geholfen.

Könnt ihr euch vorstellen, irgendwann nach Australien zurückzukehren?

Das Kapitel ist für uns abgeschlossen. Ich glaube, Europa wird für immer unsere Heimat bleiben. Ich habe die vergangenen vier Jahre in Europa so sehr geschätzt. Australien war extrem prägend für unsere Karriere und für uns als Menschen. Wir werden dort nie wieder leben, aber trotzdem immer mal wieder dorthin reisen, Freunde besuchen und vielleicht auch Konzerte dort spielen.

Auf welche Städte freust du dich auf der Tour am meisten?

Ich freue mich sehr auf Barcelona und Antwerpen. Wir haben dort noch nie eigene Shows gespielt. Aber ich kann auch unsere Auftritte in Amsterdam und London kaum erwarten. Ich finde es immer noch so verblüffend, dass Leute unsere Musik dort überhaupt kennen. Es ist unbegreiflich, dass wir auf so großen Bühnen spielen dürfen.

Etliche Konzerte sind bereits ausgebucht.

Ja, neben Paris und Barcelona gibt es jetzt auch in Prag und München keine Tickets mehr. Auch London und Dublin sind ausverkauft. Das freut uns natürlich sehr.

Wie aufgeregt seid ihr, in Städten zum ersten Mal aufzutreten?

Ich hätte mir tatsächlich gewünscht, dass die Städte, wo wir noch nie oder selten waren, eher zum Ende der Tour kommen, weil wir dann schon eingespielt sind. Während der ersten Show ändern wir meistens die Setliste mehrmals, weil wir feststellen, welches Lied vielleicht an einer anderen Stelle besser funktioniert. Wir brauchen in der Regel drei bis vier Konzerte, bis wir in den Flow kommen. Und genau diese Konzerte finden in Städten statt, wo wir bisher kaum beziehungsweise gar nicht waren, aber besonders glänzen wollen. Deswegen würde ich sagen, wir sind noch ein Ticken nervöser als wir es eigentlich wären.

Habt ihr Rituale vor Auftritten?

Uns ist es extrem wichtig geworden, auf der Bühne Spaß zu haben. 45 Minuten, bevor es losgeht, sperren ich, Josef und Dimitri Karakjev, der bei großen Touren immer dabei ist, uns in ein Zimmer ein. Wir spielen Karten, atmen zusammen und meditieren.

Fällt man nach Konzerten eigentlich in ein Loch?

Ich glaube, das ist für jeden unterschiedlich. Wir haben beschlossen, auf Tour keinen Alkohol zu trinken. Das hilft uns extrem mit den Höhen und Tiefen. Wir sind viel stabiler geworden. Ansonsten geht jeder von uns mit der Situation nach Konzerten anders um. Josef ist gerne für sich, Dimitri quatscht mit den Fans und ich versuche, den Abend zu verarbeiten. Ich reagiere sehr empfindlich auf Energien, sauge anderthalb Stunden alles auf und muss dann schauen, dass ich einen Teil davon nach den Konzerten wieder ablege. Hin und wieder warten dann auch Familie und Freunde auf uns. Mir ist es wichtig, dass wir den Abend als Team ausklingen lassen und die Chance nutzen, noch einmal zu reflektieren.

Woher kommen die Inspirationen für eure Lieder?

Vieles, was mich im Alltag beschäftigt, fließt in die Lieder – sei es eine Beziehung, das Leben oder aber Dinge, die mich mental beschäftigen. Ich finde fast überall Inspirationen.

Tut es nicht weh, immer wieder Lieder zu singen, in denen es um Herzschmerz und alte Beziehungen geht?

Ich liebe es, wenn Lieder, die ich vor sechs Jahren geschrieben habe, immer noch Emotionen in mir auslösen. Davor laufe ich nicht weg. Es inspiriert mich und ist heilend. Wenn ich zum Beispiel vor sechs Jahren eine schmerzhafte Beziehung hinter mich gebracht habe, dann schreibe ich ein Lied darüber und spiele es auf der Tour. Dann kann es durchaus sein, dass mir die Tränen kommen, weil ich alles noch einmal durchlebe. Aber genau das brauche ich. Das Schlimmste, das passieren kann, ist, dass ich bei meinen Liedern nichts mehr fühle.

Warum sind eure Lieder auf Englisch und nicht auf Deutsch?

Durch unseren Papa, der Australier ist, haben wir schon immer viel Englisch geredet. Wir haben ein paar Mal versucht, deutsche Lieder zu schreiben, aber es hat sich nie ganz authentisch angefühlt. Hinzu kommt, dass wir auf der Bühne auch nur Englisch sprechen. Es kommen natürlich auch extrem viele internationale Menschen zu den Konzerten, auch wenn wir in Deutschland spielen. Da hilft die englische Sprache.

Können sich die Fans in der Region auch bald auf ein Konzert in Rosenheim freuen?

Wir haben so oft schon versucht, in Rosenheim etwas auf die Beine zu stellen, aber es ist tatsächlich gar nicht so einfach. Wir würden auch nur vor 200 Leuten spielen, aber bisher haben wir noch keine geeignete Location gefunden. Es ist ein Traum von Josef und mir, ein Konzert in unserer Heimatstadt zu spielen. Beispielsweise auf dem Sommerfestival. Seit fünf Jahren haben wir uns darauf beworben, aber immer nur Absagen bekommen. Aufgeben kommt trotzdem nicht infrage. Wir visualisieren es weiterhin. Ich bin mir sicher, dass es zeitnah passieren wird (lacht). Interview: Anna Heise

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