Bach auf dem Bandoneon

von Redaktion

Das Cuarteto SulTango bringt den Neubeurer Festsaal zum Brodeln

Neubeuern – Diesmal brodelte es gleich zu Beginn im Festsaal des Schlosses Neubeuern: Die vier Herren des „Cuarteto SulTango“, alle ganz in Schwarz gewandet, legten sofort temperamentsexplosiv los mit einem argentinischen Tango. „SulTango“ heißt wohl übersetzt „Nur Tango“, in der Tat spielten die vier fast nur Tangos – aber das „fast“ hatte es in sich.

Klassische Konzertkarrieren

Denn mindestens drei der vier haben auch eine klassische Konzertkarriere: Der Pianist Martin Klett, Gründer von „SulTango“, kommt von der Klassik, bewegt sich aber sehr erfolgreich in allen möglichen Stilrichtungen vom Cembalospiel bis zum Jazz, genauso wie der niederländische Cellist Karel Bredenhorst, ebenfalls Gründungsmitglied.

Thomas Reif, der aus Stephanskirchen stammt und am Rosenheimer Ignaz-Günther-Gymnasium Abitur gemacht hat, ist Konzertmeister beim Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks. Nur Andreas Rokseth aus Norwegen, der wohl beste Bandoneon-Spieler Europas, hat sich rein dem Tango verschrieben – halt, eben auch nicht: Er spielte auf diesem Instrument, das er wegen der komplizierten Tonbelegung der Knöpfe schmunzelnd „completely illogical“ nannte, Musik von Bach, unter anderem einen Choral – und es klang wunderbar, fast wie veredelt. Und man erkannte wieder einmal: Bach hat mindestens soviel rhythmischen Drive wie ein Tango. Das zeigte Martin Klett auch auf dem Klavier mit dem Kontrapunkt 1 aus Bachs „Kunst der Fuge“.

Passt die Musik von Robert Schumann zu Tangos? Und wie, beschloss das Tango-Quartett und kombinierte Schumanns 6 kanonische Stücke op. 56, ursprünglich für Pedalflügel geschrieben, mit Tangos. Und so mischte sich die „Trunkenboldigkeit des Gefühls“, die Nietzsche der Musik Schumanns attestierte, aufs Beste mit dem lyrischen Gefühlsüberschwang der argentinischen Tangos etwa von Anibal Troilos, aber auch mit einem etwas komplexeren Tango von Astor Piazzolla.

Das war der einzige von Piazzolla, alle anderen waren aus der Goldenen Ära des Tango, aus den 30er- und 40er-Jahren, als es Mammutorchester mit über 30 Spielern, darunter ein Drittel Bandeonisten, gab. Aber auch die Kammerbesetzung des Cuarteto SulTango war laut genug für den Festsaal des Schlosses, sodass diese Musik sofort mitten in den Körper ging und die Beine mitzucken ließ. Das Quartett wechselte geschickt ab zwischen langsameren Tangos, so etwa ein „Pastoral“ von Osvaldo Pugliese, und dem schnellen „Milonga“ im Zwei-Viertel-Takt, wobei eine Milonga als „Milonga triste“ auch melancholisch zum Dahinschmelzen sein kann, und auch ein rauschhafter Vals im Drei-Viertel-Takt war dabei.

Musik auch
als Körperarbeit

Brillante Musiker sind sie alle: Thomas Reif krümmte und streckte sich wie ein Tanzgeiger in den Tango-Tanzhallen aus Buenos Aires, Martin Klett tanzte auf dem Klavierhocker mit, Karel Bredenhorst benutzte sein Cello bisweilen wie ein Schlaginstrument und Andreas Rokseth lehnte sich, mit dem Bandoneon auf dem Knie, ekstatisch vor und zurück: Musik auch als Körperarbeit. Musik rhythmisch schluchzend, rauschhaft-vollblütig, aufstampfend-explosiv und dann wieder heißblütig-melancholisch, wehmütig und temperamentsglühend: Musik wie das Leben selbst – zumindest das Leben in Buenos Aires.

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