Mannigfaltige Geflechte

von Redaktion

Susanne Kessler präsentiert beim Kunstverein Rosenheim die Ausstellung „Manifold“

Rosenheim – Komplexe, verworrene Flechtwerke sind es, die die Besucher in den Räumen des Rosenheimer Kunstvereins zunächst irritieren mögen. Doch nach und nach schälen sich beim Betrachten Strukturen, Linien und Ebenen in den großen, dreidimensionalen Gebilden heraus – ein ebenso interessanter wie spannender Vorgang bei der Wahrnehmung von Kunst.

Mannigfaltigkeit neben der Mangfall

Susanne Kessler präsentiert in den Räumen des Kunstvereins in der Kunstmühle ihre Ausstellung „Manifold“, die durchaus sprachliche Bezüge zur natürlichen Umgebung aufweist. Die nahe Mangfall geht sprachgeschichtlich auf „mannigfaltig“ zurück, den freundlichen Hinweis von Ausstellungsbesucher Hendrik Heuser griff Dr. Olena Balun für ihre Begrüßungsrede gerne auf. So sei der Titel der Ausstellung auch als philosophisch-mathematisches Konzept zu verstehen, welches auf die Geometrie bei Euklid zurückgreift. Darin geht es um das Neumodellieren physischer, mehrdimensionaler Räume – dieses Konzept wird in den Werken auf Basis topografischer Karten greif- und erlebbar.

Kesslers Arbeiten sind international geprägt, sie lebte und arbeitete unter anderem in England und den USA, Pakistan, Indien und dem Iran und stellte allein in Europa über 50-mal aus – eine beachtliche Zwischenbilanz, zu der sich noch mehrere Lehrtätigkeiten gesellen wie in Riga oder New York.

Für die größeren Werke in „Manifold“ studierte sie die Topografie der Stadt Jerusalem auf Basis einer alten Karte aus dem 19. Jahrhundert. Mit verschiedenfarbigen Drähten, Schnüren, Kabeln und weiteren Materialien gestaltete die Künstlerin die Topografie nach und interpretierte die Lage auf ihre spezielle Weise.

Dr. Balun erwähnt „ein urbanes verworrenes und lebendiges System, das ein komplexes Geflecht des städtischen Lebens sehr anschaulich verkörpert“. Kessler befasste sich in ihrer Laufbahn auch mit dem Gehirn und Darstellungen des Inneren – Bezüge zu der Adern-artigen Darstellung der Stadt Jerusalem kommen sicher nicht von ungefähr.

Die künstlerische Einführung bei der unterhaltsamen und lehrreichen Eröffnungsveranstaltung übernahm Dr. Johannes Nathan, Kunsthistoriker aus Berlin und wie Dr. Olena Balun engagiert für die Bewahrung ukrainischer Kulturgüter. Eines seiner Spezialgebiete ist Leonardo da Vinci: In einem kurzen Rundgang durch die Ausstellung legte Nathan den Fokus auf Parallelen zwischen manchen Werken Kesslers und der Kunst Leonardos, etwas augenzwinkernd konstruiert, aber dennoch teils verblüffend. Bei einer Trilogie Kesslers zu den einstürzenden Hochhäusern New Yorks im Jahr 2001 wies Nathan auf die Mehrschichtigkeit der Werke hin, auf Luftwirbel und Feuer und sah Entsprechungen in Leonardos Zeichnungen zur Sintflut. Das große Flechtwerk „Alle Grenzen dieser Erde“ beinhalte politische Aussagen über durchlässige Grenzen und die Auflösung von Gewissheiten, das Werk strahle eine „visuelle Poesie“ aus, die aus „armseligen Materialien“ entstanden sei.

Lichtzauber
einer Installation

Einen schönen und spirituell anmutenden Lichterzauber kredenzte der Kunstverein noch mit einer Kerzenbeleuchtung der großen, raumdominanten Installation „Manifold“. Das Werk lässt vielen Assoziationen Raum, man könnte Rauch oder Blut darin erkennen, vielleicht auch Geisterwesen – auf alle Fälle beeindruckt auch dieses Werk und fordert die individuelle Beobachtung und Fantasie heraus.

Bis 28. April

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