Bad Aibling – Beide haben sie eine Professur inne, beide ein Studium absolviert und beide betrachten sie es als ihr Ziel, jungen Menschen die Grundbegriffe der Ästhetik zu vermitteln. Sie arbeiten auf beziehungsweise mit Papier. Die Berührungspunkte sind offensichtlich, und mit dieser Übereinstimmung spielt das Konzept der Ausstellung beim Kunstverein Bad Aibling.
Thomas Heyl studierte an der Akademie der Bildenden Künste in München Malerei und Kunsterziehung und ist heute Professor für Kunst und ihre Didaktik an der Pädagogischen Hochschule Freiburg. Mehrere Preise kennzeichnen seinen künstlerischen Weg. Er gestaltet Bilder durch zahllose Aufträge von Farben übereinander. Die Farben stellt er selber her und bedient sich dabei verschiedener Pigmente und Acryl, das er als Bindemittel verwendet. Der Farbauftrag ist dermaßen kompakt, dass sich Heyls Bilder einer Skulptur nähern. Um die Werke dennoch hinter Glas rahmen zu können, wird unsichtbar ein Abstandhalter in den Rahmen eingefügt.
Körbe, Pflanzen oder Früchte deuten sich an, Rundungen schließen sich zu Gefäßen. Zarte Grüntöne dominieren manche der Bilder, aber insgesamt ist die Farbigkeit vielfältig. Und dann die Titel – Sie erklären nicht, sie begleiten die Bilder und machen das Rätsel komplett: „Vergessene Entdeckung“, „Das muss ich weitererzählen“, „Reisebegleitung“ animieren den Betrachter, einen Sinn hinter der Abbildung zu suchen.
Lutz Schäfer absolvierte ein Studium der Bildhauerei an der Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe und ist Professor für Kunst und Didaktik an der Pädagogischen Hochschule ebendort. Seine Raumarbeiten bestehen aus grob geschreddertem Papier, das er mit Tapetenkleister zu Skulpturen – rätselhaften Gebilden – zusammenfügt.
Mitten im Ausstellungsraum auf dem Fußboden liegt ein großer, vom Künstler sogenannter „Teppich“, geformt aus langen Papierwülsten, die bogenförmig untereinander angeordnet sind. Man ist als Betrachter geneigt, an den Luxus eines schönen Teppichs zu denken oder an ein Gewebe, das eine historische Dokumentation enthält (Teppich von Bayeux), aber der Künstler lenkt die Aufmerksamkeit doch in eine andere Richtung: „Rolling in the Deep“, lautet der Titel. Schäfer hat seine Werke nahezu alle mit Titeln aus der Rock- und Popmusik versehen. Anders verhält es sich allerdings mit dem Werk „Eiermann-reloaded“. Hier hat Schäfer das Unterteil des berühmten Eiermann-Tisches, der Kultstatus erlangte, als Sockel für eine ausufernde Papierskulptur benutzt. In immer neuen Windungen schlängelt sich das kurvenreiche Objekt über das Tischgestell. Die Ausstellung von Heyl und Schäfer ist ein Lehrstück über Kreativität – einmal ganz anders.
Ute Bößwetter