Innsbruck/Neubeuern – „Du bist dran“ lautet der Titel einer Ausstellung im Taxispalais Innsbruck, bei der auch die aus Neubeuern stammende und im Weinviertel und Wien lebende Künstlerin Elisabeth von Samsonow im wahrsten Sinne des Wortes „mitmacht“. Ihr Exponat ist eine bemalte Scheibe aus Pappe mit drei Löchern, die die Erde symbolisieren soll. Wenn man Kopf und Arme durchstreckt, wird man selbst zur Erde. Elisabeth von Samsonows Aufforderung zum Mitmachen lautet „Du bist die Erde und hältst als Erde eine tolle Ansprache!“
Die Erde als Scheibe, in die man hineinschlüpfen kann. Was steckt hinter dieser Idee?
Ich will damit ja nicht die alte Scheibenform der Erde wiederherstellen, sondern die Idee der Karte und des Globus auf ein und derselben Fläche mit der Kunst der Malerei zusammenführen. Meine Karte ist keine Landkarte oder Weltkarte, wie man sie kennt, sondern die Aufzeichnung eines bestimmten Zustandes der Erde als lebendes Wesen, das Kräfte und Zustände, Erinnerungen und Hoffnungen, Ideen und Elemente hat. Alle diese Dinge sind in dieser Scheibe aus bemaltem Pappkarton, die die Welt ist in meinem Projekt, aufeinander bezogen, als Bild aus Flächen, Farben, Linien, Kringel und Kreuzungen.
Welche Erfahrungen kann man als Erde bei diesem Spiel selbst machen?
Wenn wir auf der Erde sind, sind wir ja auch direkt in der Erde, sodass wir auch sagen könnten, wir sind die Erde. Kein Element ist in ihr, dass wir nicht auch wären oder in uns hätten. Wenn man also den Kopf und die Arme durch die drei Löcher in der Scheibe durchstreckt, kann man als eine merkwürdige Mensch-Erde oder als Erd-Mensch eine Rede halten, das ist die Idee. Man kann sich vorstellen, dass die Erde lebt und sich äußern kann. Und man muss sich überlegen, was sie denn sagen würde. Ich habe gesehen, dass die Leute nicht lange überlegt und sehr wichtige und richtige Dinge gesagt haben, lustige und traurige. Meistens haben sie nur kurz gesprochen als Erde, aber es hat irgendwie gesessen.
Im Taxispalais werden ja noch andere Spiele angeboten. Wo hört die Kunst auf und fängt das Spiel an?
Im Taxispalais kann man während der Ausstellung „Du bist dran!“ verschiedene Spiele spielen, nicht nur mein Erd-Spiel. Man kann im Spiel von Neda Saeedi in seiner Tasche nach einem Gegenstand suchen und dessen Geschichte für die anderen Ausstellungsbesucher aufschreiben. Im Spiel von Judith Fegerl experimentiert man zu zweit mit elektrischen Drähten, bis eine Lampe leuchtet, oder man kann einen Rap-Text fertigschreiben, für den die Rapperin Esra ein paar Stichworte bereitgestellt hat. Es ist schön, dass das Museum auf diese Weise zum Ort einer von der Leine gelassenen Spiel-Liebe des Publikums wird. Die Kunst hört ja oft schon lange vor dem Spiel auf. Aber es ist wichtig, dass sie mit dem Spiel und der Aktion des Publikums in Verbindung bleibt.
Macht spielen die Kunst erfahrbarer?
In jedem Fall hilft das Spiel oder der Beitrag der einzelnen Besucher dabei, die Kunst erfahrbar oder verständlich zu machen, und zwar so sehr, dass die Schwelle, die die Kunst oder das Museum als Raum so oft errichten, sofort überwunden werden kann. Im Fall dieser Ausstellung ist diese Kooperation von Ausstellung und Aktion der Besucher hervorragend und unmittelbar gelungen, jenseits der üblichen pädagogischen und technischen Interaktionsmittel.
Ein Beispiel für Öko-Kunst ist Dein Projekt „Göttinnenland“ im Weinviertel, mit dem auf die Problematik hingewiesen wird. Wird man auch gehört?
Ob man gehört wird, das ist die Frage. Wir jedenfalls versuchen, mit dem Projekt des „Landes der dissidenten Göttinnen“ im niederösterreichischen Weinviertel die Stimme der Erde besser zu hören. Hier dient ein Land mit vier Hektar als Labor, als Parlament, als Hoheitszone der Göttinnen, die dort zum großen Teil so erscheinen wie sie wollen, was sich in einer großflächigen Verwilderung zeigt. Unser Forschungsprojekt und unsere Aktionen bekommen durchaus Aufmerksamkeit. Aber man muss noch mehr und verschiedene solche Projekte assoziieren, damit aus den Punkten eine tragfähige Fläche wird.
Könntest Du Dir vorstellen, ein solches Projekt hier in Deiner Heimat zu initiieren?
Ich bin mir nicht so sicher, ob das im so durchgetakteten Bayern, wo jeder Quadratmeter so viel wert ist und landwirtschaftlicher Grund bis ins letzte Eck intensiv genutzt wird, so leicht möglich wäre wie im nordöstlichen Weinviertel in Niederösterreich. Schön wäre es schon, und wahrscheinlich gibt es eh schon kleinere Initiativen, die Ökologie und Feminismus großschreiben. Das mit den „Göttinnen“ ist auch deshalb hier in Niederösterreich viel leichter als in Bayern, weil die archäologischen Venus-Funde aus Österreich seit Langem weltweit bekannt sind und sehr geliebt werden wie zum Beispiel die Venus von Willendorf. Inzwischen hat man ja ebenfalls sensationelle Funde weiblicher prähistorischer Funde in Bayern gemacht, sodass das Göttinnenthema vielleicht schon Fahrt aufnimmt. Also man bräuchte nur erschwingliches Land und einen kleinen Haufen Interessierter, die bereit sind, die Geschichte anders zu sehen.
Kann auch hier Spielen das Mittel zum Zweck werden, vielleicht um die Angst vor Kunst und Ökologie zu verlieren?
Ja unbedingt, es müsste ein Spiel sein, ein gutes Spiel. Und ich denke, auch das Land liebt es, wenn man mit ihm spielt und ihm nicht immer nur das Maximum herausreißen will. So ein Projekt, ein Landspiel, wäre also durchaus für alle gut. Interview: Martina Poll